Berlin und sein Wasser: Alles fließt - zurück

Berlin kann sich glücklich schätzen. Ihr Trinkwasser produziert die Metropole selbst. Sieben Anmerkungen zum Verhältnis der Berliner zu ihrem köstlichen Nass.

Nun darf sogar drin geschwommen werden: Berliner Wasser (Spree!). Bild: dapd

Die erste

Sieben Uhr, der Wecker klingelt. Der erste Griff gilt dem Glas mit Leitungswasser auf dem Nachttisch. Gut, dass ich nicht in Warschau lebe, wo das Leitungswasser braun ist wie die Weichsel. Das Berliner Leitungswasser ist nicht nur trinkbar. Es hat sogar das Gütesiegel „Gut plus“ bei einem Vergleich des Wassers in 270 deutschen Städten bekommen.

Mein Mitleid gilt all denen, die einmal die Woche eine Kiste Bonaqa in die Wohnung schleppen. Auch das ist Leitungswasser, nur hübsch in Flaschen verpackt. Mein „gutes Wasser“ ist noch besser als das etikettierte Wasser aus dem Wasserwerk Echthausen an der Ruhr. Mit 10,4 Milligramm pro Liter steckt ordentlich Magnesium drin. Das ist gut für die Gesundheit, aber schlecht für den Wasserkocher. Also gilt meine zweite tägliche Begegnung mit dem Berliner Wasser dem Entkalken. Erst dann schmeckt der Tee nach Tee.

Die Landesregierung will ein Viertel der Wasserbetriebe zurückkaufen und ihren Anteil damit auf rund 75 Prozent erhöhen. Der Senat beschloss am Dienstag, den Anteil des Essener Energiekonzerns RWE Aqua an der RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH für 618 Millionen Euro zu erwerben, so die Finanzverwaltung.

Die zweite

Hat der Mensch Wasser im Überfluss, denkt er gewöhnlich nicht darüber nach. Es sei denn, das Wasser wird teurer. Warum aber soll Wasser teurer werden, wenn es keinen Mangel gibt? So wie in Berlin. Anders als in Wien, wo das Trinkwasser aus zwei sogenannten Hochquellleitungen in die Stadt gepumpt wird, wird es in Berlin aus dem Grundwasser gewonnen. Uferfiltrat heißt dieses Wasser, das als Niederschlag oder Oberflächenwasser aus Spree, Havel, Dahme, Müggelsee oder Tegeler See durch die Kies-, Sand- und Tonschichten sickert und sich in 150 Meter Tiefe in sogenannten Süßwasserstockwerken sammelt. Von dort wird es mit 700 Pumpen in die neun Berliner Wasserwerke gepumpt, die sich allesamt an Flüssen und Seen befinden. Wasser wird in Berlin also nicht importiert – Berlin sitzt auf einer Wasserader. Das fällt mir ein, als ich auf dem Weg zur Arbeit am Schlossplatz die Spree überquere.

Die dritte

Gleich nebenan, am Neptunbrunnen, war das Thema Wasser schon immer politisch. Der Bildhauer Reinhold Begas hat in diesem Geschenk an Wilhelm II. mit einer Allegorie imponieren wollen, die von der Größe des Deutschen Reiches kündet. Deshalb wird Neptun von bildlichen Darstellungen des Rheins, der Elbe, der Oder und der Weichsel flankiert. Aus dem Büro des Regierenden Bürgermeisters kann man auf den Neptunbrunnen schauen. Sein Wasser hat der Senat 1999 an einen westdeutschen und französischen Konzern verkauft. Am Dienstag wurde das Geschäft rückgängig gemacht. Vielleicht wird ersatzweise ja der Neptunbrunnen verkauft.

Die vierte

Es fängt an zu regnen. In diesem Sommer fängt es oft an zu regnen. Berliner Tropensommer mit abendlicher Gewitterneigung. Extreme Wetterlagen sind auch extreme Wasserlagen. Regnet es zu viel, laufen Regen und Abwasser aus der Mischkanalisation in die Spree. Dann zeigen die Fische ihre weißen Bäuche. Regnet es wochenlang nicht, fängt die Kanalisation an zu stinken.

Für den Wasserhaushalt in Berlin wäre Regen besser. Wie Brandenburg zählt die Stadt zu den gewässerreichen, aber wasserarmen Regionen Deutschlands. Mit dem Projekt „Inka BB“ will das Forschungsministerium deshalb „klimaangepasste Wassermanagementsysteme“ erproben und möglichst viel Wasser in der Region halten. Das werden die Hamburger nicht gern hören, denen wir das kostbare Nass über die Elbe schicken. Aber Hamburg hat Hilfe gar nicht nötig. Die Hamburger haben ihr Wasser nämlich behalten. Während das Wasser in Berlin 2,169 Euro pro Kubikmeter kostet, sind es in Hamburg 1,64 Euro.

Die fünfte

Berlin kauft sein Wasser zurück und zahlt Millionenbeträge. Nicht nur die Initiative Wassertisch ist da sauer. Wäre Berlin kein Land, sondern ein Staat, wäre die Gegenfinanzierung ganz einfach, wie ein kleiner Rechercheausflug an den Mehringdamm zeigt. Gegenüber den Tempelhofer Hangars sitzt die unnützeste Behörde der Hauptstadt: das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Berlin. Das ist unternehmerisch so transparent wie die Fifa von Joseph Blatter – und teuer ist es mit 50 Millionen Euro im Jahr auch. Schließlich sind die 528 Mitarbeiter nur für ein paar Miniwasserstraßen zuständig.

Wohl auch deshalb will der Bundesverkehrsminister die ostdeutschen WSA abspecken. Nicht nur für den Gebührenzahler, sondern auch für den Steuerzahler soll Wasser künftig billiger werden.

Die sechste

Es ist Feierabend, die Sonne hat sich zurückgekämpft. Unter der Schlossbrücke tuckern Ausflugsdampfer. Spreeathen ist wieder auferstanden. Sie lieben ihren Fluss, die Berliner. Zum Wasser in Berlin gehören auch die Wasserlagen. Der Erfolg von „Mediaspree versenken“ hat Berlin einen Impuls gegeben. Wasser darf keine Ware sein: nicht im Hahn und nicht am Ufer.

Die siebte

Endlich Sommer. Schnell in die S-Bahn und raus an den See. 33.000 Flusskilometer und 3.000 Seen hat Brandenburg. Die, die nach der Wende an den Bund gingen, sollen zurückgekauft werden. Wer aber wird sie übernehmen? Um das Wasser soll es keine Kriege geben, heißt es. Stimmt zumindest für die Region. Die Konflikte aber gehen weiter: Am 1. Mai werden wieder die Wasserwerfer auffahren.

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