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Berlin hat seinen Meister

■ Fußball: Hertha Zehlendorf - VfB Stuttgart 2:1 / Berliner B-Bubis lockten über 3.000 Zuschauer an / Pillenverein aus Leverkusen lockt Kicker-Nachwuchs

Mehr als 3.000 BerlinerInnen waren gekommen, um endlich mal wieder eine deutsche Meisterschaft bejubeln zu können, und die B-Jugendlichen von Hertha 03 Zehlendorf erfüllten ihnen den Traum: mit 2:1 (0:1) schickten sie den VfB Stuttgart wieder heim ins Ländle.

Geradezu beängstigend professionell nutzten die 15- und 16jährigen Berliner ihre Torchancen: nach dem 0:1 -Pausenrückstand köpfte U-16-Nationalspieler Daniel Lehmann im Anschluß an eine Ecke - mutterseelenalleingelassen - ein, und dieselbe Standardsituation nutzte Mario Block drei Minuten vor Schluß zum Siegtreffer. Glücklich, denkt man an die erste, von Stuttgarter Seite überlegen geführte Halbzeit mit einigen guten Möglichkeiten.

Die beste per Lattentreffer besaß der Mittelstürmer mit dem schönen Namen Beierle - Papadopuolos, Latifovic, Santelli Bonsanto, Obeida und Komninos im Trikot des VfB ließen ansonsten eher eine Weltelf denn die B-Jugend der baden -württembergischen Landeshauptstadt vermuten. Daß der stramme Rechtsaußen-Präsident des VfB, Mayer-Vorfelder, so etwas duldet... Nach dem Seitenwechsel begann die große Zeit von Hertha 03 Zehlendorf. Das Team von Trainer Wolfgang Prezsding löste sich immer besser aus der Umklammerung.

Der Berliner Erfolg löst mit Sicherheit zum 87. Mal eine Diskussion um das Abwandern Berliner Talente in die BRD aus. Ziege und Lehmann liegen schon Angebote westdeutscher Vereine vor. Doch Hertha Zehlendorf, wegen vorbildlicher Jugendarbeit mit Auszeichnungen überhäuft, hat sich fest vorgenommen, nicht in die Fußstapfen von Hertha BSC zu treten, die zu Bundesligazeiten statt talentierter, junger Spieler lieber Altstars wie Rainer Bonhof verpflichtete, die hier eine ruhige letzte Lederkugel schoben. Nein, die Zehlendorfer rufen im Programmheft unter der Überschrift „Sonntagsreden helfen nicht“ dazu auf, „Talente in Berlin zu halten“, und liefern die Kontonummer gleich mit.

Denn trotz der mehr als 3.000 zahlenden Zuschauer haben die Zehlendorfer am Sonntag kaum etwas verdient: 60 Prozent der Eintrittseinnahmen kassiert Freund und Helfer DFB! Als wenn die Herren aus Frankfurt nicht schon genug Knete hätten!

So wollen denn auch die strahlenden Sieger Markus Kolbuch und Christian Ziege „erstmal abwarten, ob die erste Mannschaft uffsteigt“ und dann entscheiden, wem sie ihre teueren Profibeine zur Verfügung stellen werden, „jedenfalls nich Hertha BSC oda Blau-Weiß“ (Kolbuch).

Die Zehlendorfer Oberligamannschaft geht zwar als einer der Favoriten in die neue Saison, doch der Weg zur zweiten Liga ist noch weit. Selbst im Falle eines Aufstiegs wird ein Finanzriese wie der Pillenverein aus Leverkusen, der dank bester Verbindungen reihenweise Berliner Talente aufkauft, immer noch größere Schecks ausstellen als die Zehlendorfer. Fußball-Patriotismus ist in der heutigen Zeit etwas Nostalgisches.

Marwan Obeida, Stuttgarter Torschütze, weiß hingegen schon ziemlich genau, wo er später sein Geld verdienen wird. „Wenn ich es bei Stuttgart nicht schaffe, gehe ich nach Kuwait da habe ich schon einen Vorvertrag!“

Christoph Jungmann

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