Berlin, Frankfurt und Weser-Hattan: Phalli in der City
■ Diskussion in Sachen Bauästhetik: Ist Bremen potent genug für Hochhäuser?
Berlin hat den Potsdamer Platz, Frankfurt heißt Mainhattan und in Manhattan gibt's ohnehin nix als Wolkenkratzer. Aber braucht das kleine schnuckelige Bremen auch so eine „Erektion des Kapitals“? Das war das Thema der Podiumsdiskussion, zu der der Weser-Kurier am Donnerstagabend eingeladen hatte. Streitpunkte: Soll das Siemens-Hochhaus aufgestockt werden? Was taugt der Plan von Volkwin Marg, gleich eine ganze „Hochhaus-City“ ans Gleisdreieck zu bauen? Und: Wer will überhaupt in die Beton-Phalli einziehen?
„Wägen und wagen, das finde ich eine prima Bremer Ideologie“, meinte der Aachener Architekturprofessor Marg. „Die Frage ist doch“, so Marg, „ob man ein isoliertes Gebäude wie das Siemens-Hochhaus noch aufwerten oder ob man nicht weiter entfernt was hochziehen sollte.“ Margs Antwort: Statt der von Thomas Klumpp geplanten sechsstöckigen „Mütze“ auf dem Siemens-Bau gleich sechs bis sieben Wolkenkratzer ins Gleisdreieck des zukünftigen „Promotion-Parks“ zu stellen. „Ich dachte erst, das ist ein Witz“, ärgerte sich Siemens-Architekt Klumpp. „Direkt an der Eisenbahn sollen die Leute arbeiten und mittags zum Essen in die Stadt gehen?“
Der ganze Streit um die Hochhäuser sei „kindisch“, meinte Ex-Bausstaatsrat Eberhard Kulenkampff. Eine Hochhaus-Stadt verliere an Individualität. Allerdings würde Margs Plan neue Entwicklungsachsen setzen, die Entfernung seiner Hochhaus-City zur Innenstadt sei die Richtige, um die „einzigartige Maßstäblichkeit Bremens“ zu bewahren.
Klumpps Idee, das Siemens-Haus aufzustocken, sei ja „charmant“, aber „aus stadtgestalterischer Sicht Quatsch“. Die Bremer Innenstadt verliere im Vergleich zum Umland immer mehr an Bedeutung. „In der City ist in den letzten Jahren kein Quadratmeter Einzelhandelsfläche hinzugekommen, aber 1.000 Jobs wurden abgebaut. Also sollten wir nicht noch mehr Konkurrenz zur Innenstadt organisieren.“
Trotzdem sei es wichtig, endlich Leben in die Bahnhofsvorstadt, den „desolatesten Raum der Innenstadt“ zu bekommen. Der Sockel des Siemens-Hochhauses sei völlig verschmuddelt, Erotik-Shops hätten sich angesiedelt. Außerdem, so Bücking, habe die Politik des Senats, 25 Millionen Mark für das brache Grundstück am Bahnhofsvorplatz erlösen zu wollen, zum „Desaster“ geführt. Der Preis sei für die zu erwartenden Erlöse viel zu niedrig.
Auch in der Frage, ob es denn überhaupt für eines der beiden Projekte genügend Nutzer gäbe, wurde man sich nicht einig. „Investoren suchen große zusammenhängende Flächen in der Innenstadt“, sagte Wolrat Woigt von Zechbau, dem Besitzer des Siemens-Hochhauses, der seinen Chef Kurt Zech vertrat. Die geplante Aufstockung des Siemens-Hauses inklusive Panorama-Restaurant und 6.000 Quadratmeter zusätzlicher Nutzfläche sei „gut gegen die Entleerung der Innenstadt.“ Potentielle Nutzer konnte er aber nicht benennen. ksc
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