"Berlin Festival" abgebrochen: Erst Stau, dann Ende
Angst vor einem zweiten Duisburg: In Berlin wurde ein Musikfestival vorsorglich abgebrochen. Zwar ging es tags darauf weiter, aber viele Programmpunkte fielen flach.
BERLIN taz | Polizeibeamte, Schleusen und Metallgitter. Auf einem Flughafen sind Wartezeiten, Absperrungen und die Präsenz von Sicherheitspersonal für Reisende, die sich der Pass- und Gepäckkontrolle unterziehen müssen, um von A nach B kommen, wollen, Selbstverständlichkeiten. Bei einem Popfestival ist die Kanalisierung von Menschenströmen und ihre ständige Begleitung durch Security aber ein relativ neues Phänomen. Besondere Beachtung finden Sicherheitskonzepte im Grunde erst, seit in Duisburg bei der Loveparade 21 Menschen bei der Massenpanik umkamen.
In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde das "Berlin Festival" auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof vorzeitig abgebrochen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme der Veranstalter in Absprache mit der Polizei. "Wenn nur einer sich verletzt hätte, wäre es Berlin auf den Zettel geschrieben worden", sagte Veranstalter Carsten Stricker der taz. Festivalbesucher protestierten dennoch mit Pfiffen und Sprechchören; als Polizisten den Zugang regulierten, flogen vereinzelt Flaschen und Pappbecher.
Angereiste Musikfans, die für ihre Eintrittskarten bis zu 70 Euro gezahlt hatten, waren über die Entscheidung erzürnt, zumal die abgesagten Konzerte nicht zu einem anderen Zeitpunkt nachgeholt werden konnten. Dadurch ergaben sich auch für das Programm am Samstag Änderungen: Alle Bühnen mussten bereits um 23 Uhr ihr Programm beenden, wieder fielen Auftritte flach. Die Probleme in der Freitagnacht begannen, als gegen 2.30 Uhr bei kühler Witterung zahlreiche Besucher von der Open-Air-Hauptbühne - deren Programm aus Lärmschutzgründen beendet war -, zu einer kleineren Bühne, dem Hangar 4, wollten, in dem der britische DJ Fatboy Slim und später die belgischen 2 Many DJs hätten auflegen sollen.
Vor den Sicherheitsschleusen stauten sich etwa 300 Besucher. Der Hangar selbst war bereits vorher überfüllt. "Das Hauptproblem war die Besucherdynamik auf dem Gelände", hieß es dazu in einer Mitteilung der Veranstalter am Samstag, die auch von einer "überaus harten Entscheidung im Kontext aktueller Sicherheitsdebatten" sprachen.
Das Hauptproblem lag vielleicht anderswo: 15.000 bis 20.000 Tickets wurden für das zweitägige Festival verkauft. 5.000 bis 6.000 mehr als im Vorjahr. Die Fläche des Festivalgeländes war im Vergleich zu 2009 um nur rund 100 Meter in der Breite erweitert worden. Eigentlich wäre auf der Rollbahn noch viel Platz, aber die Absperrgitter waren bereits in einem Halbkreis von 150 Metern rund um das Flughafengebäude und die beiden Konzerthangars aufgezogen. Jeweils drei Personen konnten gleichzeitig durch die Einlassschleusen, die die Bühnen voneinander trennten. Das sei ausreichend, erklärte Stricker. Bereits in den frühen Abendstunden gab es hier Menschenansammlungen, und es kam zu Wartezeiten.
"Wir müssen daraus lernen, die Veranstaltung räumlich und zeitlich zu erweitern", so Carsten Stricker. JULIAN WEBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken