Berichte über Drogenkartelle auf Twitter: Mexikanische Journalistin enthauptet
Eine Journalistin schrieb über die mexikanischen Drogenkartelle auf Twitter und Facebook. Deswegen musste sie sterben. Eines der Drogenkartelle hat sich zum Mord bekannt.
MEXIKO-STADT taz | Für die User des Portals "Nuevo Laredo en Vivo" war sie "La Nena de Laredo" - "das Mädchen aus Laredo". Die Nutzer sozialer Netzwerke kannten sie auch als "Laredo Girl".
Am Samstag wurde die 39-jährige Mexikanerin, die im wirklichen Leben María Elisabeth Macías Castro hieß, ermordet aufgefunden. Enthauptet und verstümmelt hatten die Täter sie an einer belebten Straße in der nordmexikanischen Grenzstadt Nuevo Laredo abgelegt.
Neben ihrer Leiche fand man zwei Tastaturen, einen CD-Player sowie mehrere Kabel. Und einen Brief, der sich explizit an die Nutzer des Forums sowie sozialer Netzwerke richtete: "Ich bin hier wegen meinen und euren Berichten." Gezeichnet: "ZZZZ", sprich die "Zetas", ein Kartell, dessen Namen niemand offen ausspricht, das aber den gesamten Bundesstaat Tamaulipas, in dem Nuevo Laredo liegt, kontrolliert und terrorisiert.
Macías Castro war zugleich Chefredakteurin der Tageszeitung Primera Hora. Doch längst kann in der Region kein Journalist mehr kritisch über die Mafia schreiben, ohne sein Leben zu riskieren. Kein Blatt informiert mehr über die Kartelle und ihre Killertruppen. Und so veröffentlichte Macías Castro wie so viele ihr Wissen über Twitter und vor allem auf "Nuevo Laredo en Vivo".
Die Plattform informiert über die neuesten Massaker im Drogenkrieg, über gefährliche Orte und unsichere Straßen. Zugleich bietet sie einen Link zum Militär und zur Marine, um anonyme Anzeigen zu stellen.
Erst vor zwei Wochen mussten in der Stadt ein Mann und eine Frau sterben, weil sie soziale Netzwerke genutzt hatten, um über die Organisierte Kriminalität zu informieren. Sie wurden erhängt an einer Brücke gefunden. Mit solchen Angriffen versuchen die Kartelle, den einzigen Raum zu schließen, in dem die mexikanische Gesellschaft noch öffentlich über den Drogenkrieg und seine Konsequenzen diskutieren kann.
Es geht ums reine Überleben
Denn wo wie in vielen Regionen Mexikos jede kritische Äußerung gegen die Mafia zur lebensgefährlichen Aktion wird, hat die Bedeutung von Facebook, Twitter und Bloggs immens zugenommen. Von den rund 30 Millionen Menschen, die Zugang zum Internet haben, besitzen 95 Prozent ein Facebook-Profil, Twitter hat vier Millionen User. Insgesamt leben 104 Millionen Einwohner im Land.
Dabei gehe es den Menschen nicht wie im Arabischen Frühling um politischen Aufruhr oder den Sturz der Regierung, erklärte jüngst der Kulturwissenschaftler Nicholas T. Goodbody. "Diese Leute suchen einen Weg, um das tägliche Leben noch zu ertragen." Es gehe um das reine Überleben in den Städten und Gemeinden.
Nach einer Untersuchung der New York Times haben derzeit viele Mexikanerinnen und Mexikaner mehr Vertrauen in Twitter als in die lokale Medien. Zugleich zitiert das Blatt jedoch User, die der Netzwerk-Kommunikation mit Zwiespalt gegenüber stehen. Da sie nun ständig mitbekomme, was alles passiere, lebe sie mit noch größerer Angst, sagte etwa "Diana", die ihren wirklichen Namen nicht nennen wollte. Dennoch sei klar: "Das Leben der Leute wird durch Twitter geschützt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“