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Bericht über Kriegsverbrechen in LibyenAmnesty wirft Rebellen Folter vor

Auch die libyschen Rebellen haben nach einem Bericht von Amnesty International schwere Verbrechen begangen. Der Übergangsrat verspricht einen Rechtsstaat auf der Basis der Scharia.

Steht von einer neuen Aufgabe: Der Vorsitzende Übergangsrates Dschalil. Bild: dpa

GENF/WASHINGTON afp/dpa | Amnesty International hat die neue libysche Führung aufgerufen, Menschenrechtsverletzungen ihrer Anhänger im Kampf gegen den langjährigen Machthaber Muammar el Gaddafi zu stoppen.

Kämpfer und Anhänger des Nationalen Übergangsrats hätten frühere Mitglieder von Gaddafis Sicherheitskräften, vermeintliche Verbündete, gefangengenommene Soldaten sowie Ausländer, die sie fälschlicherweise für Söldner hielten, "entführt, willkürlich gefangen gehalten, gefoltert und getötet", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation zur Lage in Libyen.

Der Nationale Übergangsrat stehe vor der schwierigen Aufgabe, seine Kämpfer und Selbstschutzgruppen zur Rechenschaft zu ziehen, die für "schwere Menschenrechtsverletzungen, mögliche Kriegsverbrechen eingeschlossen", verantwortlich seien, schreibt Amnesty weiter.

Sie warf Vertretern des Rats vor, die geschilderten Vergehen zwar zu verurteilen, gleichzeitig aber "ihr Ausmaß und ihre Schwere" herunterzuspielen. Der Bericht listet eine Reihe von konkreten Vergehen auf, räumt aber gleichzeitig ein, dass die Taten nicht mit dem Ausmaß der Verbrechen unter Gaddafi zu vergleichen seien.

Insbesondere kritisierte Amnesty International den Übergangsrat für sein Versäumnis, Gerüchte klarzustellen, wonach Gaddafi Schwarzafrikaner als Söldner angeheuert habe. Vorstandsmitglied Claudio Cordone rief die neue Führung auf, mit der Gewalt der vergangenen vier Jahrzehnte endgültig zu brechen und künftig die Achtung der Menschenrechte ins Zentrum ihrer künftigen Politik zu stellen.

Bereits am Montag erklärte der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, er wolle einen Rechtsstaat errichten. "Wir werden keine extremistische Ideologie von rechts oder links zulassen", sagte er nach Angaben des Senders CNN bei einer Kundgebung in Tripolis.

Scharia als Quelle der Gesetzgebung

Ziel sei es, einen Rechtsstaat, einen Sozialstaat, einen Staat aufzubauen, in dem die islamische Rechtsprechung Scharia die wichtigste Quelle der Gesetzgebung sei. "Wir sind ein muslimisches Volk, für einen moderaten Islam und wir werden auf diesem Weg bleiben", sagte Dschalil nach Angaben des Sender Al-Dschasira weiter.

Die US-Regierung zeigte sich insbesondere über die Berichte zur Lage der schwarzafrikanischen Einwanderer oder Flüchtlinge in Libyen besorgt. Niemand dürfe aufgrund seiner Hautfarbe oder seiner Nationalität "festgehalten oder drangsaliert" werden, erklärte eine Sprecherin des US-Außenministeriums in Washington.

Gleichzeitig jedoch teilte sie mit, dass die Geschäftsträgerin der US-Botschaft Joan Polaschik bereits seit Samstag zurück in Libyen sei. Die Nummer zwei der Botschaft bereite gemeinsam mit einem kleinen Team die Wiedereröffnung der diplomatischen Vertretung vor. Dies könne noch einige Wochen dauern.

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10 Kommentare

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  • V
    Volksverdummung

    @Redaktion

    .

    Äääh, und was flüstert -uns- "NATO-Zivilistenschützer" Rasmussen dazu ?

     

    Kann eigentlich kein Problem sein, im NATO-Hauptquartier anzurufen und eine UMGEHENDE STELLUNGNAHME von Generalsekretär Rasmussen zu "erbitten"!

    Nicht vertrösten lassen; dieser "SEKRETÄR" ist der Ansprechpartner für das Ressort "communication and representation".

     

    "Amnesty" könnte JETZT noch ein bisschen mehr mediale UNTERSTÜTZUNG für Ihr Anliegen gebrauchen! Bedeutet: ein Ende der "SCHWARZ-WEISS-Berichterstattung" und der "schiet-propaganda". Dazu muss niemand nach Libyen!

     

    Und vielleicht geschieht ein WUNDER (ernsthaftes Umdenken!) und ein Redakteur beginnt seine bisherige unkritische Berichterstattung hinsichtlich der "Rebellen" und ihrer "SAS-Gehilfen" (im Libyen-Einsatz als NATO-BODENTRUPPE) selbstkritisch zu hinterfragen...

    .

    HESSE

    .

  • JL
    julius lieske

    Jahrelang war von AI in Bezug auf Libyen so gut wie nichts zu hören (vgl. Jahresberichte), dann gibt es ganz spontane Frühlingsgefühle bei einigen Libyern, (denen der versprochene Sozialwohnungsbau nicht schnell genug vorangeht), die dazu führen, dass öffentliche Gebäude gebrandschatzt und Waffenlager geplündert werden, mit denen dann ein bewaffneter Aufstand gegen die Regierung begonnen wird. Ebenso spontan schliessen sich aus der Haft entlassene Islamisten, gefeuerte Marktliberale und zu kurz gekommene Teile der bisherigen Elite dem Aufstand an. Komplettiert wird das ganze dann von seit Wochen sich im Land befindlichen ausländischen "Geschäftsleuten" mit militärischer Ausbildung und Auslandslibyern, die seit Jahrzehnten den bewaffneten Kampf gegen die Regierung führen. Nachdem diese Zusammenrottung von harmlosen Menschenrechtsaktivisten die ersten Regierungsbeamten gelyncht hat, gibt es eine Reaktion der Regierung, in deren Verlauf ca 200 menschen zu Schaden kommen, also Verletzt oder getötet werden.

    Ganz spontan entsteht im westlichen Ausland eine grosse Medien-Sympathiewelle mit den unschuldig unterdrückten Putschisten, denen sich dann ebenso spontan nach und nach eine ganze Reihe ehemaliger Führungspersonen mit zum Teil langjährigen Auslandskontakten aus menschlichem Mitgefühl heraus anschliessen.

    Die Putschisten benutzen die Bevölkerung einer Stadt als lebendes Schutzschild und weigern sich, den bewaffneten Kampf gegen die Regierung zu beenden. Da beschliesst ganz spontan, aus humanitären Gründen, die französische und die britische Regierung, den Putschisten zu helfen. Spontan beschliessen UNO und NATO wiederum, diesen beiden zu helfen und schon ist ganz Libyen ein Trümmerfeld.

    Hört sich wie ein Drehbuch an, ist aber alles ganz spontan geschehen. Ohne Absicht und ohne Planung.

  • S
    steffen

    Allen Homosexuellen, emanzipierten Frauen oder Nichtmuslimen allgemein sei hier schonmal geraten sich schnellstens auf dem Staub zu machen....

  • W
    wahrhaft

    Sind das nicht die gleichen Herren, deren Sieg die "taz" in kriegstreiberischer Weise bejubelt hat?

     

    Im Kosovo die Organhändlermafia, in Libyen die Schariafolterer,... Die NATO bombt mit jedem Verbrecher. Aber muss die einstmals linke taz die "Regierungsfähigkeit" (?) der Grünen nun durch den bedingungslosen Schulterschluss mit jedem NATO-Kampfbomber unterstützen?

  • R
    RemyZeno

    Es wird ja mal tatsächlich auch berichtet, dass die lybischen Rebellen nicht so allumfassend Lieb sind wie die NATO-Propaganda sie gerne darstellt.

     

    Ich habe aber keine Hoffnung das auch nur eines der Verbrechen der Rebellen zur Rechenschaft gezogen wird. Genau wie man bei Gadaffi damals ignorierte als er Menschenrechte verletzte, wird man es mit den neuen Freunden tun. Sie kaufen sich mit Öl und strategischer Partnerschaft von so etwas banalem wie Gerechtigkeit frei.

     

    Das andere Interessante am Artikel war, dass die Scharia Grundlage des Rechtssystems sein soll. Damit ist der Modernisierungsprozess des Landes gescheitert bevor er begonnen hat. Auf einer ungerechten Religion (damit meine ich den Islam als solchen) - und sei sie noch so moderat ausgelegt - kann kein rechtschaffendes System entstehen.

  • I
    Ilmtalkelly

    Das Gesetz der Scharia sowie Al-kaida sind eine Folge kolonialistischer, rachsüchtiger und undifferenzierender Politik der westl. Welt.

    Dabei spielen Waffenexporte in die Krisenregionen eine perspektivistische Rolle.

    Schon sind ruthless us- politician dabei, das neue Unheil auszumachen und medial aufzuarbeiten. Man darf gespannt sein, wann die Aktienkurse von Lockheed Martin, Northrop und Boing wieder steigen.

  • B
    BerlinaWoman

    "Der Übergangsrat verspricht einen Rechtsstaat auf der Basis der Scharia".Die US-NATO bombt also für den Islam und die Einführung der Scharia. D.h. letztendlich macht auch die taz mit ihrer Kriegseuphorie dafür Propaganda.Deshalb also ist die taz so Islamophil und diffamiert alle, die einen kritischeren Blick auf den Islam haben. Was man sich merken sollte.

  • C
    Carsten

    Ach, wer hätte das gedacht? Das sind doch alles tolle Demokraten, warum foltern die denn jetzt ihre Gegner? Dürfen die das? Und foltern die auch CO2-neutral? Und was ist eine moderate Scharia? Wird die Hand nicht mehr abgehackt, sondern sauber operativ entfernt? Viel Spaß noch im arabischen Frühling!

  • A
    andreas

    Da passt "Rebellen wollen die Scharia in Libyen einführen" ja voll ins Bild...

  • BG
    Bernd Goldammer

    Na das ist ja wirklich eine totale Überraschung!?!?!