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Archiv-Artikel

Berge von Arbeit für joblose Berliner

Arbeitslos in Berlin? Ab in die Schweiz! Auf einer Jobmesse wurden Fachkräfte für den Einsatz im Alpenland vermittelt

„In meinem Alter finde ich in Berlin keine Arbeit.“ Klaus Sandmann ist 53 und Hartz-IV-Empfänger. In Deutschland. In der Schweiz ist der Arbeiter dagegen eine qualifizierte Fachkraft und kann gutes Geld verdienen: „Wenn ich in Berlin 1.000 Euro netto verdiene, bekomme ich für die gleiche Arbeit in der Schweiz 2.000 Euro raus.“ Sandmann spricht aus Erfahrung. Im vergangenen Jahr hat er für vier Monate in einem Kieswerk in St. Gallen gearbeitet.

Es scheint der perfekte Deal zu sein: Das Nachbarland ist auf der Suche nach gut ausgebildeten Leuten und Deutschland hat sie übrig. Deswegen ist auf der Jobmesse im Gebäude der Arbeitsagentur Mitte an diesem Donnerstag ganz schön was los.

Rechts und links sitzen die Arbeitgeber an ihren Tischen, im Gespräch mit den Arbeitssuchenden. Andere sind gerade auf dem Weg zu einem Vortrag, bei dem die anwesenden Firmen sich vorstellen und über die traumhaften Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz reden. „Das klingt alles fast zu gut“, hört man manche im Vorbeigehen sagen, die den Vortrag schon besucht haben.

Hauptsächlich Bau-, Elektro- und Metallarbeiter sollen sich angesprochen fühlen. Saisonarbeiter. Auch Klaus Sandmann hat sich wieder beworben. „Es war ein angenehmes Arbeiten dort“, sagt er. Auch davon , dass die Schweizer Angst davor hätten, die deutschen Gastarbeiter könnten ihnen die Löhne kaputtmachen, hat er nichts mitbekommen.

Urs Arnold hingegen kennt diese Bedenken. Er ist als Personalberater der Zeitarbeitsfirma Manpower auf der Jobmesse. Wie im Übrigen alle potenziellen Arbeitgeber auf der Messe Zeitarbeitsfirmen sind. Arnold berichtet, dass 50 Prozent der von Manpower vermittelten Bauarbeiter aus Deutschland kommen, Tendenz steigend. „Ein gewisses Ressentiment der Schweizer gegenüber den deutschen Arbeitern ist schon vorhanden.“

Warum das so ist, kann Dieter Stielecke aus Strausberg, der auch schon in der Schweiz gearbeitet hat, nicht verstehen: „Die Schweizer wollen doch gar nicht auf dem Bau arbeiten.“ Stielecke war von 2003 bis 2006 als Vorarbeiter in Zürich und hatte in dieser Zeit fast ausschließlich andere Gastarbeiter als Kollegen. Viele Portugiesen und Spanier. Und deren angeblich niedrigerer Verdienst sei dafür nicht der Grund. Vielmehr sei es so: „Die Schweizer ham’s noch nicht nötig.“

Mit dieser Einschätzung könnte Stielecke gar nicht so falsch liegen. Beat Britt ist Schweizer Eures-Berater. Eures, offizieller Veranstalter der Messe, ist ein Netzwerk, das sich in Zusammenarbeit mit den Agenturen beziehungsweise Ämtern für Arbeit um Belange des europaweiten Arbeitsaustausches kümmert. „Unser Mangel an Fachkräften besteht hauptsächlich deswegen, weil wir zu wenig junge Leute haben.“ Und die wenigen Schulabgänger wollten lieber studieren. „Es stimmt, diese Jobs sind wenig attraktiv“, sagt Britt.

Am Ausgang stehen zwei Bewerber und rechnen sich ihre Chancen aus. Große Sorgen machen sie sich nicht: „Die nehmen doch alle, wa?“ KATHRIN SCHRECK