: Beratungs-gesetz-betr.: Leserbrief, taz vom 20.6.88
betr.: Leserbrief Dr. Frieda Eckrich, taz vom 20.6.88
Wer sich noch an die wütende Pauschal-Verurteilung der Regierung Brandt/Scheel durch die katholische Kirche in der Bundesrepublik und die CDU/CSU erinnert, als die Diskussion um den alten § 218 begann, wird dem Geißler-Süßmuth-Flügel der CDU eher seine Anerkennung für den Denkfortschritt aussprechen müssen, der mit der Feststellung vollbracht wird, daß eine Verschärfung des jetzigen § 218 keinen besseren Schutz der Ungeborenen bringen würde, statt von einer „Wiedereröffnung der Hexenverfolgung“ zu sprechen, wie dies Dr. Frieda Eckrich tut.
Im übrigen sollte man der katholischen Kirche von heute weniger die Hexenprozesse von einst zum Vorwurf machen als vielmehr die Gleichsetzung von Empfängnisverhütung und Abtreibung einerseits, von Abtreibung und Kindstötung andrerseits, wie sie heute - vor allem von ihrem Oberhaupt vorgenommen wird. Wenn man bedenkt, daß die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung heute sehr weit entwickelt sind, wird man sich aber nicht nur über den Papst wundern, der das sicherste Mittel Abtreibung überflüssig zu machen, als Sünde verdammt, sondern auch über diejenigen, die diese Möglichkeiten nicht wahrnehmen und sich - oder ihre Partnerin - in den Gewissenskonflikt stürzen, sie eher ihr eigenes Leben mit dem Risiko eines Kindes belasten oder ein solches Risiko durch die Abtreibung von vorneherein ausschließen will.
Das Beratungsgesetz soll offenbar sowohl diesem Gewissenskonflikt Rechnung tragen - und ihn zugunsten des Ungeborenen verschärfen - als auch jene Radikal-Opposition besänftigen, die in der Rückkehr zum alten § 218 , womöglich in verschärfter Form, also in der Strafjustiz, die Lösung des Problems sehen - eine Lösung, die es nicht und nirgends gibt, es sei denn in der freien Entscheidung jeder Frau!
Rudolf Weber, Saulgau
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