Beobachter der Arabischen Liga in Syrien: Delegation übersieht Assads Verbrechen
Die Beobachtermission der Arabischen Liga in Syrien scheint sich als konstruierte Farce zu entwickeln. Menschenrechtler sprechen von einer Täuschung durch das Regime.
KAIRO/BEIRUT dpa | Trotz der anhaltenden Gewalt in Syrien sehen die Beobachter der Arabischen Liga ihre Friedensmission optimistisch. Nach dem Auftakt in der seit Wochen umkämpften Hochburg der Regimegegner Homs zeigte sich der Chef der Delegation, Mustafa al-Dabi, zuversichtlich, dem Ziel, die Gewalt zu beenden, ein gutes Stück näher zu kommen. Menschenrechtsgruppen warfen der Regierung von Baschar al-Assad am Mittwoch hingegen vor, die Beobachter zu täuschen. Die USA drohten mit "weiteren Schritten", sollte Syrien der Liga die Zusammenarbeit verweigern.
Der sudanesische General al-Dabi sagte der panarabischen Zeitung "Al-Hayat" (Mittwoch), die syrischen Behörden seien bisher kooperativ gewesen. Die Delegation wollte im Laufe des Tages auch weitere Unruheregionen wie Hama, Idlib und Daraa besuchen. In Daraa nahe der jordanischen Grenze haben Deserteure aus der syrischen Armee am Vormittag nach Angaben von Aktivisten Regierungssoldaten überfallen und vier von ihnen getötet.
Bis Ende Dezember sollen 150 Beobachter in Syrien sein. Am Montag waren zunächst 50 Diplomaten und andere Experten in der Hauptstadt Damaskus eingetroffen. Bis Ende Januar wollen sie den Abzug der Armee aus den Städten und die Freilassung politischer Gefangener überwachen. Beim Aufstand gegen Assad sind seit März nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 5000 Menschen ums Leben gekommen.
Menschenrechtler sehen die Beobachtermission allerdings weiterhin kritisch und werfen Syrien vor, die Experten der Arabischen Liga zu täuschen. Nach Angaben von Human Rights Watch soll die Regierung mehrere Hundert Gefangene in militärische Einrichtungen umgesiedelt haben, zu denen die Delegation keinen Zugang habe. Ein syrischer Sicherheitsoffizier schätzte die Zahl der Gefangenen demnach auf mindestens 400 bis 600. Syrien hatte sich lange gegen die Beobachtermission gesträubt. Kurz nach der Zustimmung aber habe der Offizier die Anordnung zu einem außerplanmäßig Transfer der "wichtigen Gefangenen" erhalten.
Syrische Soldaten werden zu Polizisten
Ein Gefangener berichtet der Organisation, es seien keine einfachen Kriminelle weggebracht worden, "sondern Menschen, die mit Journalisten zusammengearbeitet haben, Überläufer oder solche, die bei den Protesten mitgemacht haben."
Außerdem berichtet die Menschenrechtsgruppe, syrische Soldaten würden sich als Polizisten verkleiden. Damit werde die Forderung der Arabischen Liga, das Militär abzuziehen, umgangen. Die Organisation sei im Besitz von Dokumenten, die belegten, dass Personal vom Verteidigungs- zum Innenministerium verlegt worden sei.
Die USA und Russland forderten Syrien auf, die Beobachter nicht zu behindern. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte nach Angaben des arabischen Senders "Al-Dschasira", die Delegation müsse sich bei dem geplanten Besuch vom mehr als 100 Krisenherden so frei wie möglich bewegen können. Aus dem US-Außenministerium hieß es am Dienstag: "Wenn das syrische Regime weiter die Anstrengungen der Arabischen Liga missachtet und sich widerspenstig zeigt, wird die Weltgemeinschaft andere Mittel in Erwägung ziehen, um syrische Zivilisten zu schützen." Welche Maßnahmen das genau sind, ließen die Diplomaten offen.
Seit Monaten fordert die syrische Opposition die Einrichtung einer Schutzzone an der Grenze zur Türkei. Entsprechende Initiativen im Weltsicherheitsrat werden bislang aber vor allem von den Vetomächten Russland und China gebremst.
In Berlin kam es derweil zu einem Angriff auf einen syrischen Menschenrechtsaktivisten. Der Grünen-Politiker Ferhad Ahma wurde nach Angaben seiner Bundestagsfraktion seiner Partei vom Dienstag in seiner Wohnung überfallen und mit Knüppeln misshandelt. Der Politiker ist Mitglied eines Übergangsrats der syrischen Opposition. Die Grünen in Berlin-Mitte vermuten hinter dem Überfall den syrischen Geheimdienst.
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