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Benjamin Moldenhauer Popmusik und EigensinnEine unterkühlte Ferkelei

Sexuell aufgeladene Körperlichkeit ist in der deutschsprachigen Popmusik nicht übermäßig präsent. Max Gruber, der unter dem Namen Drangsal auftritt, sticht da heraus. Im Video zum Stück „Tier“ der Berliner Band Gewalt wälzt er sich nackt mit den anderen im Matsch, das Gesicht mit schwarzen Streifen bemalt. Im Clip zum Drangsal-Stück „Und du? Vol. II“ trägt Gruber Strapse und bekommt zärtlich den Hintern versohlt. Es gebe, sagt er, zu wenig Queerness im deutschen Pop.

Queerness und eine mit sehr deutschen Zeichen spielende Morbidität ziehen sich durch den gesamten Drangsal-Kosmos, in dem vieles Platz hat: Synthie-Wave, die Smiths, No Angels bis hin zu Casper, mit dem er gemeinsam ein Stück aufgenommen hat. Drangsal scheint bislang in jedem Kontext zu funktionieren, vielleicht, weil Gruber eh immer wie ein Fremdkörper wirkt. Ein Fremdkörper allerdings, der ganz bei sich ist. Also nicht identisch mit sich selbst, das geht ja gar nicht, sondern „bei sich“ im Sinne maximal kontrollierter Verkörperung des Konzeptes, das diese Kunstfigur zum Ergebnis hat.

Die Stimme klingt auf dem Debüt „Harieschaim“ sehr nach Robert Smith von The Cure, auf dem zweiten, „Zores“, hin und wieder nach dem frühen Farin Urlaub. Damit ist Drangsal in der für Gruber ungünstigsten Lesart erst mal nur eine weitere Retro-Wiederaufführung der Soundästhetik der Achtzigerjahre. Wenn man es freundlicher formuliert: Hier reiht ein geschichtsbewusster, musikbegeisterter junger Mann die pop­historischen Verweise fröhlich aneinander.

Versteht man Drangsals Musik hingegen als einen Träger von Ideen, steckt da noch mehr drin. Die (natürlich retrospektiv imaginierte) Unschuld der Achtziger verbindet sich mit sanft angedeuteter Perversion: „Gegen die Decke meines Schädels / schlägt ein Spalier junger Mädels“, singt Gruber im Pornokloster. „Gegen die Wände meines Herzens / halten hundert junge Jungs heiße Kerzen“. Es entsteht eine Spannung zwischen Geträller, unterkühlter Tonalität und Ferkelei. Die kann man auch dann interessant finden, wenn einen diese Musik an sich eher langweilt.

Sa, 23. 3., 20 Uhr, Schlachthof

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