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Benjamin Moldenhauer Popmusik und EigensinnPop fürs Volk

Pop rückt, im Verbund mit der Gesellschaft, deren Teil er ist, nach rechts. Entweder mutiert er mehr und mehr zum Schlager, das ist die vergleichsweise harmlose Variante, oder er arbeitet sich an der Re-Etablierung von Topoi ab, die man sich vor ein paar Jahren im Pop – zumindest mit dem inzwischen erreichten Normalisierungsgrad – noch nicht vorstellen konnte. Die Feier der Heimat bei einer deutschsprachigen Rockband, die sich rebellisch gibt, zum Beispiel.

Frei.Wild sind, vorausgesetzt, die Welt rückt wirklich weiter nach rechts, die Zukunft: ein Vorschein kommenden Unheils, in dem das Eigene und nicht das Andere der einzige Sehnsuchtsort ist. „Du kannst dich nicht drücken, auf dein Land zu schauen / Denn deine Kinder werden später darauf bauen / Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat / Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk“.

Der Quatschcharakter des Ganzen drängt sich mit Nachdruck auf: Man kann sich sehr wohl drücken, warum denn nicht, Sprache ist kein Wert, und untergehen muss man ohne Brauchtum und Glaube schon mal gleich gar nicht; auch stirbt „das Volk“ keineswegs, es wähnt sich nur gern bedroht. Die Bedrohung wiederum ist eine Bedingung für das Wir, sich überhaupt als Volk wahrnehmen zu können.

An der Musik von Frei.Wild lässt sich ablesen, wie rechte Phantasmen und rechte Rhetorik heute funktionieren. Das „Rechte“ und das Völkische dieser Band manifestieren sich nicht in unverblümten Rassismus, von dem die Band sich explizit distanziert. Zeitgemäß ist diese Band, indem sie die inzwischen bis zur Ermüdung durchexzerzierte Strategie adaptiert, mit der rechte Künstler und Politikerfiguren seit einigen Jahren erfolgreich sind: eine Aussage in die Welt stellen, die als Provokation kalkuliert ist, und bei Gegenwind dann klagen, man solle mundtot gemacht werden – bei konstant gefüllten Hallen und ständiger Medienpräszenz wohlgemerkt. Unterdrückung halluzinieren, eine als Heimat und Volk gedachte und ersehnte Identität als Antwort postulieren und dann so unkonkret wie möglich von verlogenen Meiden und Maulkörben fantasieren. Ein guter Indikator für das, was da noch kommen mag: Eine Popkultur, in der das Erlebnisangebot „Identitärer Freiheitskämpfer“ dominiert, wäre wirklich am Ende.

Fr, 13. 4., 19.30 Uhr, ÖVB-Arena

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