Benachteiligung in Deutschland: UNO rügt Gleichstellungspolitik
Der UN-Frauenrechtsausschuss wirft der Bundesregierung unzureichendes Engagement in der Gleichstellungspolitik vor. Frauen verdienen im Schnitt noch immer 23 Prozent weniger.
Aus Sicht einer Regierung ist das Schöne am Unterschreiben internationaler Abkommen, dass man sich so edel fühlen kann. Die UN-Frauenrechtskonvention Cedaw etwa will eindeutig Gutes und Richtiges, weshalb Deutschland sie 1980 unterschrieben hat. Weniger schön: Der UN-Frauenrechtsausschuss überprüft alle vier Jahre, ob die Regierungen das Abkommen umsetzen. Das hat er im Fall Deutschlands Anfang Februar getan. In den kürzlich veröffentlichten "Concluding Observations" geht das 23-köpfige Gremium mit der deutschen Gleichstellungspolitik hart ins Gericht.
Der Hauptkritikpunkt: Die deutsche Regierung ergreife keine aktiven Maßnahmen, um die Diskriminierung von Frauen zu beseitigen. Insbesondere setze sie das laut Konvention vorgesehene Gender-Mainstreaming nicht um. Mit Gender-Mainstreaming soll die Politik prüfen, ob Männer und Frauen gleichermaßen von ihrer Politik profitieren. Das Komitee bedauere, "dass die Regierung sich von ihrer Gender-Mainstreaming-Politik abwendet". So habe die Regierung die entsprechenden Arbeitsstrukturen abgebaut. Entgegen ihrer Ankündigung habe sie auch "keine Schritte unternommen", um Gender-Budgeting, die Überprüfung ihrer Etats, einzuführen. Tatsächlich hatte das Finanzministerium kürzlich mitgeteilt, Gender-Budgeting sei "nicht sinnvoll". Entsprechend ihrer internationalen Verpflichtung habe die Regierung Gender-Mainstreaming einzuführen, diese Maßnahmen zu beobachten "und Sanktionen zu verhängen, wenn sie nicht erfüllt werden", merkt der Ausschuss an.
Insbesondere im Wirtschaftsleben vermisst das Gremium "proaktive Maßnahmen": Nach wie vor ist der Unterschied zwischen den Einkommen von Frauen und denen von Männern mit 23 Prozent in Deutschland größer als in den meisten anderen EU-Ländern. Auch sitzen zu wenige Frauen in Deutschland in Chefsesseln. Die Frauenrechtskonvention sieht ausdrücklich vor, dass ein Staat "zeitweilige Sondermaßnahmen" vornehmen darf, um Diskriminierungen abzubauen. Das Komitee drängt deshalb darauf, dass der Staat "konkrete Ziele wie etwa Quoten und Zeitpläne festlegt, um die Gleichstellung zu beschleunigen". Das fordern Grüne und Linkspartei schon lange. Die Linkspartei hat ein Gleichstellungsgesetz entwickelt, nach dem nur noch Firmen mit Gleichstellungsplan öffentliche Aufträge erhalten sollen. Die jetzige Bundesregierung lehnt solche Regelungen ab.
Der Ausschuss lobt ausdrücklich Elterngeld, Vätermonate und Kita-Ausbau. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) findet positive Erwähnung. Allerdings kritisiert das Gremium die von der Bundesregierung im Zuge des AGG gegründete Antidiskriminierungsstelle (ADS). Deren Arbeit werde zu wenig bekannt gemacht. Auch mangele es ihr an wichtigen Kompetenzen. Das UN-Gremium fordert, die Stelle müsse in Eigeninitiative Klagen gegen Diskriminierung anstrengen und Sanktionen gegen Unternehmen verhängen können.
Das alles klingt nicht gut. Vielleicht hat das Bundesfamilienministerium die "Concluding Observations" deshalb nicht veröffentlicht. Sie sind nur auf der entsprechenden UN-Website zu finden. Auf der Seite des Frauenministeriums dagegen heißt es: "Cedaw-Ausschuss zeigt sich zufrieden mit den Fortschritten der deutschen Gleichstellungspolitik". Ein Link zu den Empfehlungen des Ausschusses fehlt. Dafür rühmt sich das Ministerium damit, dass die Zahl berufstätiger Frauen gestiegen ist. Dabei kritisiert der Ausschuss ausdrücklich, dass zwar mehr Frauen arbeiten, die meisten jedoch nur in Teilzeit- oder Minijobs. Das erwähnt das Ministerium nicht. Auch dass Deutschland, was die Zahl der Frauen in öffentlichen Führungspositionen angeht, im europäischen Vergleich an drittletzter Stelle steht, wird auf der Website verschwiegen. Stattdessen heißt es: "Allein im Kabinett ist der Anteil von Frauen mit einer Kanzlerin und sechs Bundesministerinnen sehr hoch."
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