Beleidigung: Sprach-Polizist vor Gericht
Das Amtsgericht Schwarzenbek verhandelt gegen einen Sprachenlehrer. Er hatte einer Arbeitsagentur-Mitarbeiterin mangelnde Integrationsbereitschaft vorgeworfen.
HAMBURG taz | Der Angeklagte ist uneinsichtig. Er habe niemanden beleidigen wollen, sagt Thomas Illmaier, aber es gäbe nun einmal eine Nachlässigkeit, die nicht zu unterstützen sei. Der folgende Satz ist für den Sprachenlehrer Beispiel dieser Nachlässigkeit: „Ich bitte Sie daher Geduld.“
Eine Mitarbeiterin der Hamburger Agentur für Arbeit hatte das Wort „um“ vergessen und weitere kleine Flüchtigkeitsfehler gemacht, worauf Illmaier Dienstaufsichtsbeschwerde stellte und der Juristin mit zweitem Staatsexamen mangelnden Ehrgeiz zur Integration vorwarf. Das sei typisch für Migranten mit muslimischem Hintergrund. Dogans Vorgesetzter zeigte Illmaier daraufhin wegen rassistischer Beleidigung an.
Mit grüner Weste über weißem Hemd, Krawatte und goldeingefasster Brille sitzt Illmaier im Amtsgericht Schwarzenbek und sagt, „die Sprache ist heilig“. Als Sachverständigen wollte er Thilo Sarrazin einladen, aber daraus ist nichts geworden. Als Illmaier einen Brief verliest, in dem er der Mitarbeiterin zehn kostenlose Probedeutschstunden anbietet, reicht es Staatsanwalt Joachim Bahr: „Ich glaube, Sie wissen überhaupt nicht, was Ihnen hier vorgeworfen wird. Nicht die von Ihnen kritisierten Deutschkenntnisse sind das Problem, sondern der fehlende Integrationswille, den Sie der Dame unterstellen“, sagt er.
Auf der von ihm betriebenen Internetseite philosophia-online.com hat Illmaier Schlüsselworte mit schwarz-rot-goldenen Balken unterlegt. Ein Text handelt von seinem Vater, der Lehrer war, und Illmaier beschreibt, wie stolz er war, wenn zu Schuljahresbeginn nach dem Beruf des Vaters gefragt wurde: „Jene Klassenkameraden, die nur ’Arbeiter‘ als Vaters Beruf angaben, waren nicht so ’hoch‘ angesehen.“
Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Schwarzenbek dreht sich im Kreis. Schon längst scheint sich der Staatsanwalt gedanklich verabschiedet zu haben, der Austausch findet zwischen dem Angeklagten und der Richterin Insa Oppelland statt. Immer wieder erklärt Illmaier, er sähe nicht das Beleidigende an seiner Aussage. Würde er Menschen aus Bayern oder Baden-Württemberg den gleichen Vorwurf machen, nähmen es alle mit Humor, aber die türkischstämmige Migrationsgruppe stände wohl unter besonderem Schutz.
„Kritik zu äußern, ist Ihr gutes Recht, aber das hier ist ehrverletzend“, entgegnet die Richterin, die zunehmend genervt wirkt. Sie schlägt vor, das Verfahren gegen einen Geldbetrag von 300 Euro einzustellen. Illmaier zögert kurz und stimmt dem Angebot dann brummelnd zu. Er habe niemanden herabsetzen wollen, aber sei möglicherweise etwas arrogant gewesen, fügt er leise hinzu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader