Bekennerschreiben von Atomgegnern: Sabotage an S-Bahn
Militante Atomgegner wollen hinter Kabelbrand in S-Bahn stecken. Störungen sollen bis Mittwoch behoben sein.
Offenbar stecken militante Anti-Atom-Aktivisten hinter dem Kabelbrand, der seit Montag Teile der Berliner S-Bahn lahmgelegt hat. Die taz erhielt am Dienstag das Bekennerschreiben eines "kommando sébastien briard", das sich selbst eines Brandanschlags auf die Bahn bezichtigt. Die Polizei geht davon aus, dass das Schreiben authentisch ist. Der Staatsschutz ermittle wegen einer politisch motivierten Brandstiftung, so eine Polizeisprecherin.
"Wir haben in der Nacht auf den 1. November 2010 ein Kabel der Deutschen Bahn in Berlin in Flammen gesetzt", heißt es in dem Bekennerschreiben. "Der flächendeckende Ausfall des Unternehmens Deutsche Bahn war geplant und sollte zeigen, dass die Profiteure der Atommafia kein ruhiges Hinterland haben." Die Gruppe bezieht sich auf die Castor-Transporte vom französischen La Hague ins Wendland am Wochenende und auf die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durch die Bundesregierung. Verantwortung übernimmt man auch für einen Brandanschlag auf ein "Siemens-Fahrzeug" in Schöneberg in der gleichen Nacht, laut Polizei ein Kleintransporter. Die Gruppe kündigt weitere Proteste an: "Auch nach dem Castor werden wir der Industrie und den Verantwortlichen einheizen."
Wer hinter der Gruppe steckt, ist unklar. Offenbar bezieht sie sich aber auf den französischen Atomgegner Sébastian Briat. Der 22-Jährige wurde 2004 bei Anti-Atom-Aktionen von einem Castor-Zug im französischen Avricourt erfasst und tödlich verletzt. In Berlin gerät die Bahn nicht zum ersten Mal ins Visier militanter AKW-Gegner. Den vor allem 2009 grassierenden Autobrandstiftungen fielen auch Bahnfahrzeuge zum Opfer. In Bekennerschreiben wurde das Unternehmen als "Handlanger der Atomlobby" benannt.
Die jetzige Brandstiftung war in der Nacht zu Montag zwischen den S-Bahnhöfen Sonnenallee und Neukölln erfolgt und hatte einen Kabelschacht auf einer Länge von über 100 Metern beschädigt, darunter auch Telefonkabel der Bahn. Dies hatte zu vielfachen Einschränkungen des S-Bahn-Betriebs geführt. Ein S-Bahn-Sprecher sprach von einem "großen Schaden" durch den Anschlag, der noch nicht zu beziffern sei. Zu dem Bekennerschreiben wollte er sich nicht äußern. "Wir überlassen die Ermittlungen der Polizei.
In der Berliner Anti-Atom-Szene wird der Anschlag kontrovers diskutiert. Als "kontraproduktiv" bezeichnet eine Aktivistin die Aktion, da nun der Widerstand im Wendland eine Kriminalisierung erfahren werde. Willi vom Anti-Atom-Plenum sieht den Anschlag dagegen als "nachvollziehbaren Ausdruck einer gehörigen Portion Wut und Frust" gegenüber der Atompolitik und
-lobby. Für die Anti-Castor-Aktionen am Wochenende im Wendland hätte die Polizei unabhängig davon "Mittel und Vorwand für Repression gefunden".
Die S-Bahn war weiter mit der Reparatur des Kabelschachts beschäftigt. Die Ringbahnlinien pendelten nur alle 15 Minuten zwischen Neukölln und Treptower Park. Auf der S 46 und S 47 fuhren Ersatzbusse. Laut S-Bahn soll die Ringbahn ab Mittwochmorgen wieder in Betrieb gehen. Der Abschnitt Neukölln-Baumschulenweg wird dagegen weiter über Treptower Park umfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP