Bekämpfung von Armut: Wo sich etwas bewegt
Bis 2015 will die UNO die Armut weltweit halbieren. Vietnam ist auf einem guten Weg, die benachbarten Philippinen werden scheitern.
Reich ist auf den Philippinen, wer Land besitzt, heißt es. In der Hoffnung auf ein besseres Leben zog Jeminda Bartolome daher auf die Insel Palawan. Denn der schmale Landstreifen im Westen der Philippinen gilt als besonders grün und fruchtbar. Bartolome kaufte ein kleines Grundstück und baute Reis an. Zuerst lebte sie gut. Doch heute, dreißig Jahre später, ist sie hoch verschuldet. Weil die Ernte nicht mehr reicht, muss sie Reis bei ihren Nachbarn dazukaufen, um ihre Familie noch ernähren zu können. Sie muss, wie ein Drittel der Filipinos, mit weniger als einem Euro am Tag auskommen.
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Ein Euro. Das ist die Armutsgrenze, auf die sich die 189 UN-Staaten in der Millenniumserklärung einigten. Im Jahr 2000 wurden acht Entwicklungsziele verabschiedet, die bis 2015 erreicht werden sollen. Was als Durchbruch in der internationalen Entwicklungspolitik gefeiert wurde, ist ein Kompromiss, der kleinste gemeinsame Nenner: Der Anteil der Menschen in extremer Armut soll bis 2015 halbiert werden. Außerdem wollen die Staaten die Kindersterblichkeit um zwei Drittel senken. Ab Montag beraten die UN-Mitglieder in einer Konferenz darüber, wie das noch zu schaffen ist. Im Ländervergleich zeigen sich große Unterschiede. Sogar innerhalb derselben Region.
In Südostasien gilt Vietnam als Erfolgsmodell: Bereits jetzt wurde die absolute Armut halbiert und liegt bei 15,5 Prozent. Währenddessen musste im Nachbarland Philippinen die Regierung gestehen, viele der Millenniumsziele nicht erreichen zu können. Im Vergleich zu 1990, als noch 45,3 Prozent unter der Ein-Euro-Grenze lebten, gab es Fortschritte. Doch eine Halbierung der Armut erwartet niemand mehr. "Das überrascht mich gar nicht", sagt Walden Bello, philippinischer Träger des Alternativen Nobelpreises. "Wir hatten in den letzten neun Jahren eine extrem korrupte Regierung."
Reisüberschuss trotz Krise
Der Erfolg von Armutsbekämpfung hängt von der Ausgangsposition eines Landes ab und davon, wie es auf bestimmte Ereignisse reagiert. Während der Ernährungskrise 2008 verdoppelten sich auf den Philippinen, dem weltweit größten Reisimporteur, die Preise. Millionen Menschen fielen so unter die Armutsgrenze. Im Gegensatz dazu hatte Vietnam einen Reisüberschuss. Für Globalisierungskritiker Bello sind solche Krisen ein Hauptgrund, warum die Entwicklungsziele auf den Philippinen nicht erreicht werden: "Wir müssen den globalen Markt stärker kontrollieren", fordert er.
Vietnam ist das Aushängeschild internationaler Entwicklungspolitik. Kürzlich lobte das Kinderhilfswerk Unicef die beispielhafte Reduzierung von Kindersterblichkeit und -armut. "Seit der Öffnung in den Achtzigern hat sich in Vietnam sehr viel getan", sagt auch Günter Riethmacher vom GTZ-Büro in Hanoi. Das merke man am steigenden Konsum: "In den Städten sieht man immer mehr dicke Autos." In Vietnam wurde stark in die industrielle Entwicklung investiert, Bildung orientiert sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft. "In Sachen wirtschaftlicher Entwicklung ist Vietnam auf jeden Fall eine Erfolgsstory", sagt Riethmacher.
Mit der Wirtschaft wächst in Vietnam jedoch auch die soziale Ungleichheit. Hoài Nam und seine Frau Lan Huong leben in einem Dorf im Norden Vietnams. Auf den Erfolg warten sie noch. Seit Jahren ist ihre Tochter verschwunden. "Wie viele andere wird sie in die Stadt gegangen sein. Wenn sie genug Geld verdient hat, kommt sie sicher zurück", hoffen sie. Die Familie hat Schulden und wäre auf das Geld ihrer Tochter angewiesen. Hermann Waibel, Entwicklungsforscher an der Universität Hannover, schätzt, dass 25 bis 45 Prozent der ländlichen Bevölkerung unter einem Euro am Tag leben: "In Zeiten von wirtschaftlichen Erfolgen werden ländliche Regionen meist vernachlässigt."
Armut ist ländlich
Darin unterscheidet sich Vietnam wenig von den Philippinen. Auch dort lebt ein Großteil der Armen auf dem Land. Weite Anbauflächen gehören wenigen Großgrundbesitzern. Viele Kleinbauern arbeiten als Pächter oder sind landlos. In der Provinz Palawan, wo Reisbäuerin Jeminda Bartolome wohnt, leben etwa 70 Prozent der Einwohner von der Landwirtschaft und vom Fischfang. Großfamilien haben im Schnitt 100 Euro pro Monat zur Verfügung. Im Dorf von Bartolome gibt es keinen Strom und keine Krankenstation. Stattdessen wird in der Gegend Nickel abgebaut. Die verwendete Schwefelsäure verseucht den Fluss, aus dem Trinkwasser geholt wird und mit dem die Felder bewässert werden.
So kommen zur Armut noch Umweltprobleme dazu. Die Armut ist damit nicht die einzige Herausforderung, sondern auch die Frage, ob alle Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, wie es in den Millenniumszielen ebenfalls gefordert wird.
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