: Beitragsfinanziert versichern
betr.: „Gesundheit für alle“ (Bei der Diskussion über die Zukunft der Krankenversicherung werden falsche Alternativen aufgebaut. Die Kopfpauschale ist sozial – wenn man’s richtig macht“) von Ulrich Sedlaczek, taz vom 17. 7. 04
Zwei entscheidende Punkte aus diesem Vorschlag sollten auf jeden Fall durchgeführt werden: Die Belastungen aus der Gesundheitsreform rückgängig machen und die für 2005 vorgesehene Steuersenkung von 6,8 Milliarden entfallen lassen. Wenn der Autor meint, dass „die ausformulierten Vorschläge für die solidarische Bürgerversicherung auf sich warten lassen“, ist er nicht auf dem Laufenden. Beim Perspektivenkongress Mitte Mai 2004 in Berlin hat Dr. Jürgen Borchert, Landessozialrichter in Hessen, seine „Solidarische Bürgerversicherung /Attac“ vorgestellt. Borchert hat vor dem Bundesverfassungsgericht das „Trümmerfrauen-Urteil“, das „Pflege-Urteil“ und andere wegweisende Entscheidungen errungen.
Während Sedlaczek einen Mix aus Kopfpauschale und steuerlichen Begleitmaßnahmen vorsieht, die das System unnötig komplizieren, ist Borcherts Entwurf unkompliziert und führt beim administrativen Aufwand zu erheblichen Einsparungen, weil Steuern und Beiträge zur Bürgerversicherung nach dem gleichen progressiven Schlüssel erhoben werden können. Die im Mai 2004 von Attac und Ver.di vorgelegte „Solidarische Einfachsteuer“ liegt den Berechnungen zugrunde. Es handelt sich also um beitragsfinanzierte Versicherungen, die den EU-Vorgaben entsprechen, und nicht um Steuerfinanzierung, die die EU ablehnt.
Außerdem wird die Solidarität – Grundlage sozialdemokratischer Politik durch 140 Jahre, die Schröder in seinen Reformen mutwillig strangulierte – wieder zur Geltung gebracht und die soziale Schieflage der Agenda 2010 behoben. An diesem Punkt erweist sich Sedlaczek als unsensibel. Ein Sozialrichter ist wohl näher an den Sorgen der kleinen Leute als ein Unternehmensberater.
Grundlage des Borchert-Modells ist die Beitragspflichtigkeit aller Bürger mit allen personenbezogenen Einkommen für die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ohne Beitrags-Bemessungsgrenzen. Die solidarwidrigen Zuzahlungen entfallen (s. o.). Nach dem Schweizer Vorbild wird ein Rentenkorridor von Mindest- und Maximalrenten eingeführt, „um denjenigen, die nie die Chance hatten, ausreichende Renten-Anwartschaften zu erwerben, ein menschenwürdiges Leben im Alter zu sichern“. Das undurchschaubare Gewirr der Hartz-Gesetze wird durch Transparenz und ausreichende soziale Absicherung ersetzt. PHILIPP BERTHEAU, Berlin