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Beiträge zur ArbeitslosenversicherungRaue Zeiten für Geringverdiener

Die schwarz-gelbe Koalition hat offenbar kein politisches Konzept für die Krise. Eben noch in der Presse kolportiert, wird die unsoziale Erhöhung der Arbeitslosenversicherung flugs dementiert. Ein Überblick.

Geringverdiener zahlen wenig Steuern, aber verhältnismäßig hohe Beiträge zur Sozialversicherung. Bild: Hartwig HKD – Lizenz: CC-BY-ND

BERLIN afp | Eine mögliche Anhebung des Arbeitslosenbeitrages im Jahr 2011 ist auf scharfe Kritik gestoßen. Das Bundesarbeitsministerium wies am Dienstag zwar einen Pressebericht über eine mögliche Anhebung von derzeit 2,8 auf 4,5 Prozent zurück. Die Bundesregierung will aber erst im Laufe des nächsten Jahres über die letztendliche Beitragshöhe für 2011 entscheiden.

Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle hatte am Dienstag im Bayerischen Rundfunk gesagt, auf Grund der klammen Haushaltslage gäbe es nicht viel Spielraum. "Einer davon wird sein, dass wir, falls die Prognosen stimmen, mit Sicherheit irgendwann den Arbeitslosenversicherungsbeitrag anheben müssen." Die Größenordnung sei noch nicht abzusehen. "Aber 2,8 Prozent werden dann nicht mehr zu halten sein."

In der Süddeutschen Zeitung vom Dienstag hatte es unter Berufung auf Angaben aus Fraktionskreisen geheißen, es werde über eine Anhebung für 2011 nachgedacht. Andernfalls werde die Regierung über Jahre hinaus Milliardenbeiträge als Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit überweisen müssen.

Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums verwies darauf, dass der derzeitige Beitragsatz von 2,8 Prozent bis Ende 2010 garantiert sei, da dies "bewusst als konjunkturstützende Maßnahme" gesehen werde. Zudem sehe die geltende Rechtslage einen Anstieg auf 3,0 Prozent zum Januar 2011 vor. Über die letztendliche Höhe werde aber "im Lichte der konjunkturellen Entwicklung 2010" entschieden, sagte der Sprecher.

Er verwies darauf, dass nur für 2010 die Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Zuschuss des Bundes für erwartete Mindereinnahmen bekomme. Normalerweise muss die BA Fehlbeträge über die Aufnahme eines Darlehens ausgleichen.

"Festlegungen oder Detaildiskussionen zum jetzigen Zeitpunkt machen aus Sicht Bundesregierung keinen Sinn", sagte auch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm mit Blick auf die Beitragsentwicklung 2011.

Unions-Mittelstandspolitiker wandten sich gegen Überlegungen für Beitragssteigerungen. "Höhere Beitragssätze bedeuten eine Verteuerung der Arbeitskosten und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen", sagte der Vorsitzender der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, am Dienstag in München. "Das ist Gift für einen erfolgreichen Weg aus der Krise und konterkariert die Wachstumsstrategie der Bundesregierung." Er warnte davor, die Obergrenze für die Gesamtsozialabgaben von 40 Prozent zu durchbrechen. Die Lösung liege nicht in höheren Beiträgen, sondern in mehr Beschäftigung.

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) kündigte Widerstand gegen höhere Sozialabgaben an. "Ich bin strikt dagegen", sagte Fuchs der Financial Times Deutschland (Mittwochsausgabe). "Denn wenn die Lohnnebenkosten um ein Prozent steigen, führt das zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von mindestens 100.000", warnte er.

Der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs warnte vor höheren Beiträgen. "Um der FDP ihren Traum von Steuersenkungen verwirklichen zu können, belastet die Regierung die Leistungsträger der Gesellschaft, nämlich die arbeitende Bevölkerung und die Unternehmen", sagte Kahrs dem Kölner Stadtanzeiger (Mittwochsausgabe). Steuererleichterungen um den Preis von Beitragserhöhungen seien "Wahnsinn in Reinkultur".

Linken-Geschäftsführer Dietmar Bartsch warf der schwarz-gelben Regierung "Wahlbetrug" vor. "Konzerne, Groß-Erben und Banken bekommen Milliardengeschenke. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen die Zeche weitgehend allein", erklärte Bartsch in Berlin. Die Bundesregierung "spielt mit dem sozialen Frieden im Land".

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8 Kommentare

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  • JK
    Juergen K

    Hauptsache Daimler konnte Dividenden auszahlen.

     

    Mit dem, was D. einkassiert hat, lässt sich auch die Produktion ins Ausland besser abwickeln.

     

    Das haben SPD und CDU hingekriegt.

     

    Und was kommt jetzt mit CDU FDP ?

    Die Jahrzehnte lange

    "Arbeit muss billiger werde Orgie" ?

     

    Nö - einfach die die steuergeschenke -die ganz nebenbei bemerkt nur bei Einkommen ab 100k / p.A. wiken-

     

    auf die Arbeiter unterster Lohnniveaus schlagen.

     

    Zusätzlich noch die Anti-Kirchen-Steuer.

    Kindern den Kindergarten wegnehmen,

    Hartz4 kürzen,

    keine Sozialtickets nirgendwo mehr,

    obdachlose Jugendliche wegen der 25 Jahre Grenze,

     

    etc. etc.

     

    Das haben sich die 47 % Bürger zusammengewählt.

    Und wärs die SPD geworden, säh es genauso aus.

     

    Hauptsache die Landesbankentempel stehen noch und leuchten weihnachtlich.

    Deren Manager lassen sich Kobe - filet aus Tokio frisch geschlachtet einfliegen.

     

    Der Rest frist Abfall aus der Tafel.

     

    Frau Merklel :

     

    Sie können ohne Antrag ausreisen !

  • V
    vic

    Elende Blutsauger. Steuergeschenke für Reiche, Abgabenerhöhung für´s Prekariat.

    Achtung, je weiter oben man sitzt, umso schmerzhafter ist der Fall.

    Der Fall, das ist mein Weihnachts-Wunsch an jene, die solche Pläne hegen.

  • R
    reblek

    "Erhöhung der Arbeitslosenversicherung" - Dass es die Beiträge zu dieser Versicherung sind (ebenso wie es sich bei der "Verlängerung des Arbeitslosengeldes" um die Verlängerung von dessen Zahlung handelt), dürfen sich die LeserInnen dazudenken, nehme ich an: Sie wissen doch, was gemeint ist. Nein: Schreiben Sie, was Sie meinen, sonst meine ich, was Sie schreiben.

  • EB
    Ein Brandenburger

    Nicht daß ich die Beitragssteigerung gutheiße, doch das war vorauszusehen.

    Bin ich denn der einzige der sich noch an den Beitragssatz von 2006 erinnert?

     

    Der „Spiegelfechter“ hat heute zu dem Thema einen interessanten Artikel geschrieben.

    Zitat:

     

    „Im Boomjahr 2006 betrug der Versicherungsanteil noch 6,5%, je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber getragen. 2007 und 2008 wurde der Beitrag sukzessive auf erst 4,2% und dann 3,3% gesenkt – wobei beide Beitragssenkungen konjunkturell angebracht waren. Die Zahl der Arbeitslosengeldempfänger war damals relativ niedrig, die Reserven der Bundesagentur für Arbeit hoch. Vollkommen unverständlich war dann jedoch die weitere Senkung auf 2,8% zum Januar 2009. Bereits im Oktober 2008 warnte die BA, dass ihre Rücklagen bei diesem Beitragssatz bereits in achtzehn Monaten komplett aufgezehrt wären.“

     

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/1500/zahltag

     

    Was also soll das Geschrei bei den Politikern und den Medien. Haben alle bereits die Beitragsänderungen der vergangenen 3 Jahre vergessen?

    Hier wird ein Nebenschauplatz eröffnet um von den weitaus größeren Schweinereien der schwarz/gelben Steuerbegünstigungspolitik abzulenken.

  • GH
    G. H. Pohl

    Rauhe Zeiten für Geringverdiener! Endlich, endlich hat man sich entschlossen, den goldenen Zeiten der Geringverdiener einen Riegel vor zu schieben!

    Schröpfen, was das Zeug hält, diese – na was schon…

    War längst überfällig, schließlich müssen die von Bankiten verursachten „Kollateralschäden“ – wenn nicht weltweit so - wenigstens im eigenen Land beseitigt, und deren Lebensstandard wieder in ursprüngliche Bahnen gelenkt werden. Leistungs- (davon-) träger müssen doch motiviert werden! Versteht jeder, oder etwa doch nicht?

  • A
    Amos

    Bei dieser Erhöhung wird es mit Sicherheit nicht

    bleiben. Wartet auf die Mehrheit dieser Volksverdummer im Bundesrat, dann werdet ihr Erfahren, dass die sogenannten Steuergeschenke von

    den Erhöhungen die stattfinden wieder aufgefressen

    werden. Alle werden im effektiv weniger ausgeben können und das wird ein Abschwung und kein Aufschwung. Dabei wäre ich doch froh ich würde falsch liegen. Das kommt dabei heraus, wenn es um die Macht geht und nicht ums können.

  • K
    Kalle

    Als wäre das nicht zu erwarten gewesen. Jetzt müsste es den FPD-CDU-Wählern spätestens wie Schuppen von den Augen fallen.

     

    Deutsche Politik macht keinen Spaß.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Der "Wahlbetrug" hat noch einen anderen Aspekt. Inmitten der Finanzkrise ist der Beitrag zur Arbeitslsoenversicherung mit dem Argument, es seien genug Reserven selbst für die Krise da, gesenkt worden. Es war "common opinion", dass das nicht stimmt. Nun werden 30 Millarden €

    Zuschuss wegen dieser Senkung um ein halbes Prozent nötig.

    Es stimmt also tatsächlcih nicht und es ist mit offensichtlich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung schon allgenmein bekannt FALSCHEN Argumenten trotzdem die Senkung "durchgezogen" werden.

    Die Unbekümmertheit, mit der das "durchgeht" und vom Wähler trotzdem mit einer konservativen Regierung auch noch "belohnt" wird, läßt eine zynische Verachtung der wirtschaftlichen Kompetenz des Wählers erkennen, die leider Bestätigung in Wahlen findet.

    Die Wahlsiege der konservativen Regierungen in Italien und Frankreich sind auf ähnliche

    Abblockung und Abwesenheit von wirtschaftlicher Vernunft und rationaler Interessensvertetung aufgebaut.

    Ich finde, das ist ein politkulturelles und politiktheoretisches Problem allerersten Ranges.