piwik no script img

Beim g-20-Gipfel treffen sich die mächtigen. Sie sind nicht weise und keine guten Herrscher, Aber wir können sie nicht zwingen, uns nur eine Sekunde zuzuhörenAlles, was wir tun können, ist unsere Wut zeigen

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

Katrin Seddig

Muss ich dann zur Schule gehen? Die andern sagen, sie müssen nicht“, sagt die Tochter meines Freundes. Sie wohnt dort, wo der G-20- Gipfel stattfindet. Die Schule ist am Schlump. Wie wird das also sein, frage ich mich, kann ein Kind in diesen zwei Tagen dort einfach so in die Schule spazieren? Wie werden wir leben, geht es tatsächlich alles so weiter seinen Gang? Und soll es das überhaupt?

Meine eigenen Kinder üben derweil den Protest und ich sehe da etwas auf mich zukommen. Etwas Großes, Gewalttätiges. Donald Trump kommt nach Hamburg. Der Donald Trump, der meint, er könne jeder Frau an die Muschi fassen, weil er ein Star sei, der Donald Trump, der gesagt hat, er glaube nicht an die globale Erwärmung, der Donald Trump, der ein Einreiseverbot für Muslime fordert und den Einsatz von Atomwaffen irgendwie für okay hält.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) warnt davor, sich diesem Donald Trump in den Weg zu stellen. Wer das tut, bringt sich in Gefahr, sagt Andy Grote. Die Sicherheitskräfte von Donald Trump tragen nämlich Schusswaffen. Das kann sich wohl jeder denken, dass die Sicherheitskräfte von Donald Trump Schusswaffen tragen.

Aber was meint Andy Grote, wie muss man sich das vorstellen? Welches Recht gilt in Deutschland, in Hamburg? Können sich Amerikaner hier den Weg freischießen? Wenn es nach der Polizei geht, soll es so weit nicht kommen, denn die Demonstranten sollen gar nicht in die Nähe des G-20-Gipfels kommen. Genau dahin wollen natürlich die Demonstranten, denn sie wollen gesehen und gehört werden, das ist ja der Sinn eines Protestes.

Die Stadt gab sich vorerst demokratisch, in großen Plakaten wird damit geworben, dass auch für Demonstranten in diesen Tagen Platz sein wird. Aber welcher Platz, wo? Auf dem Heiligengeistfeld? Am 8. Juli wollen die Gegner des Gipfels auf das Heiligengeistfeld. Das liegt nahe dran und deshalb günstig. Die Polizei lehnt das ab. Die Polizei hat da große Bedenken. Seit Monaten wird vor Demonstranten gewarnt. „Gewaltbereite Protestler“ und „linke Gruppen“, das sind die Feinde. Und in der Wahrnehmung irgendwie auch eins.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat in seinem Bundesland ein erstaunliches Phänomen entdeckt: Entgegen dem Gesamttrend hätte die linksextreme und die Ausländerkriminalität zugenommen. Der Anstieg der linksex­tremen Kriminalität sei zu einem Drittel mit den Kommunalwahlen erklärbar, weil die Linksextremen da extrem viele rechtsextreme Wahlplakate beschädigt hätten.

Der linksextreme Wahlplakatzerstörer wird sicherlich auch nach Hamburg zum G-20-Gipfel reisen. Dann wird er gemeinsam mit den kriminellen Ausländern stören, und der Bürger wird nicht mehr seiner wichtigsten Tätigkeit nachgehen können – dem ungestörten Autofahren. Parkplätze werden ihm fehlen, Staus wird es geben, Einschränkungen, und tatsächlich wird es auch Randale geben. Manche Leute wollen denen einfach keinen Frieden gönnen, die sich treffen, um die Welt zu beherrschen.

Wir sind ohnmächtig. Wir können Herrn Erdogan nicht dazu bringen, uns nur eine Sekunde zuzuhören, wir können Herrn Trump nicht sein Geld nehmen und an die Hungernden verteilen, wir können keine Waffengeschäfte verhindern und keinen Krieg. Die Mächtigen treffen sich, und wir sind machtlos.

Sie regieren nicht weise, sie sind keine guten Herrscher, sie zerstören den Planeten und schüren Kriege, und wenn ich das schreibe, dann klingt es, als hätte ich das 1984 schon einmal geschrieben, mit der gleichen Naivität und derselben Berechtigung. Was können wir also tun, als unsere Wut zeigen? Und wie können wir es nicht tun, wenn es doch alles ist, was wir tun können?

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen