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Archiv-Artikel

Beim Klingeln Kohle

Was ist eigentlich aus der selbst verordneten Klingeltonabstinenz unserer Musiksender geworden? Wenig natürlich. Und Jamba ist weiter voll dabei

VON GUNNAR LEUE

Im Hypen sind die MTV-Viva-Leute selbstverständlich Profis. Als ihre Chefin Catherine Mühlemann im Herbst 2005 „bedeutende Maßnahmen“ gegen die nervige Klingeltönerei in den Werbeblöcken verkündete, gab es ein großes Medienhallo. Dabei hatte Mühlemann bloß versprochen, dass man bei MTV fürderhin zwischen 16 und 24 Uhr auf Klingeltonspots verzichten wolle, und Selbiges sei auch beim Schwestersender Viva geplant.

Die „Klingeltonmonotonie“ – in manchen Werbeblöcken hatte allein der Rufzeichenanbieter Jamba bis zu 85 Prozent gebucht – würde nämlich am Ruf der Sender kratzen und neben Zuschauern auch klassische Werbekunden verschrecken, ließ sie via Spiegel wissen.

Damit wusste der Spiegel-Leser mal wieder mehr, vor allem mehr als die Realität hergab. Denn ganz so schlimm kam es für die Klingeltonschaffenden dann doch nicht: Auf Viva wurde nie auch nur eine Werbeinsel bereinigt. MTV-Sprecherin Marie-Blanche Stössinger: „Über Viva wurde nur nachgedacht, aber Befragungen hatten ergeben, dass die Zielgruppe die Spots gar nicht als störend empfand.“ Bei MTV wurde aber tatsächlich eine klingeltonfreie Zone eingeführt, womit wohl vor allem genervte klassische Werbekunden zurückgeholt werden sollten.

Zudem machten Verbraucherschützer Druck, da mit den oft sehr hochpreisigen sogenannten Ringtones vor allem Kinder und Jugendlichen geködert wurden – und die tatsächlichen Kosten in keinem Verhältnis zum Taschengeld standen.

Tatsächlich ging der Anteil der sogenannten DRTV-Spots am gesamten Werbevolumen auf MTV und Viva in den letzten zwei Jahren von 40 auf 25 Prozent zurück. Das sieht der größte Kunde, Jamba, allerdings entspannt. Sicher war der anfangs nicht amüsiert über die Werbepauseankündigung, andererseits kennt er sich in Sachen Marketinggeklingel ja bestens aus. „Im Ergebnis hatte die Einschränkung auf MTV keine Auswirkung für Jamba“, sagt Firmensprecher Niels Genzmer.

Die praktischen Konsequenzen sahen eher so aus, dass das Werbebudget eben auf andere Sender und Länder umgeleitet wurde. – Und in den Onlinebereich, der für Jamba „immer wichtiger“ wird: „Selbstverständlich verstehen wir uns auch als Web-2.0-Firma“, so Genzmer. Schließlich würden auf ihrem i-love-Datingportal Singles vernetzt. Außerdem hat Jamba unlängst mit JamStar Records ein eigenes Plattenlabel gegründet, Chat A Nuga aus Berlin ist die erste gesignte Band. Es klingt ein wenig, als wär man bei Jamba selbst ein bisschen genervt von den ewigen Klingeltönen.

Was man verstehen könnte, denn durch den Ärger mit den Verbraucherschützern wurde das Image von Jamba ziemlich ramponiert. Schlimmer noch: Ringtones sind als Profitquelle an ihre Grenzen gestoßen, weil die Begeisterung der Kundschaft bestenfalls stagniert. Noch sind Klingeltöne aber das Kerngeschäft von Jamba. Die Entwicklung geht allerdings klar in Richtung digitale Unterhaltung mit PC-Streams oder Filmchen fürs TV-fähige Handy.

Digitale Inhalte heißt das Zauberwort, das auch die Geschäftsbeziehungen zwischen dem MTV-Mutterhaus Viacom Germany und Jamba besser denn je werden ließ: Im Rahmen einer „strategischen Partnerschaft“ wurde im Januar ein Abkommen geschlossen, wonach Jamba für die Viacom-Sender MTV, Viva, Nick und Comedy Central sogenannten mobile content bereitstellt. Außerdem ist auf Viva gerade eine von selbst Jamba produzierte Sendung gestartet. Es geht um – genau: Klingeltöne.