Beifang gefährdet Meeres-Ökosysteme: Schildkröten am Fischerhaken
Vor allem beim Einsatz kilometerlanger Treibnetze verenden viele Meerestierearten. Und das, obwohl man die Beifangmengen problemlos verringern könnte.
WASHINGTON dpa | Schildkröten und Delfine verheddern sich in Netzen, Albatrosse schnappen nach Fisch-Ködern: Sogenannter Beifang von Meeressäugetieren und Seevögeln gefährdet das Ökosystem der Meere. Forscher aus den USA, Dänemark und Großbritannien haben in einer umfangreichen Studie die Gebiete auf der Welt identifiziert, in denen Beifang ein besonders ernstes Problem darstellt.
So verenden an Fischerhaken im Mittelmeer und an der amerikanischen Atlantik-Küste sehr viele Schildkröten. Seevögel geraten oft beim Beutezug in der russischen Bering-See und im südlichen Indischen Ozean in Netze. Und für Meeressäugetiere wie Delfine oder Wale ist die südamerikanische Atlantikküste und der östlichen Pazifik besonders gefährlich, wie die Forscher um Rebecca Lewison von der San Diego State University in Kalifornien herausfanden. Sie veröffentlichten ihre Studie im Fachjournal Proceedings der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS).
Besonders die Treibnetzfischerei ist für die Tiere gefährlich. Bei dieser Fangmethode, die in der EU und auch in den USA verboten ist, legen Fischer teilweise kilometerlange Netze aus. Schon weniger Beifang gibt es der Studie zufolge bei der Langleinenfischerei, bei der viele Köder-Schnüre an einer langen Leine befestigt werden. Am geringsten waren die Auswirkungen aber bei der Schleppnetzfischerei, bei der Schiffe Netze durch die Tiefsee ziehen.
Die Beifang-Raten könnten leicht verringert werden, schreiben die Forscher: So gingen australischen Treibnetzfischern 90 Prozent weniger Schildkröten in ihre Netze, nachdem sie Fluchtöffnungen eingebaut hatten, die nur von großen Tieren geöffnet werden können. Albatrosse könnten zum Beispiel durch Sprenkleranlagen an Fangbooten davon abgehalten werden, nach Ködern an Langleinen zu schnappen. Doch die wenigsten Länder schreiben entsprechende Maßnahmen vor. „Um Beifang zu verhindern mangelt es nicht an möglichen Lösungen, aber an einer effektiver Implementierung“, schreiben die Autoren.
Die Wissenschaftler ermittelten die Gefahrenzonen durch Informationen aus über 250 Studien, die zwischen den Jahren 1990 und 2008 veröffentlicht worden sind. Wahrscheinlich gibt es noch mehr Gefahrenzonen auf der Welt, für die aber die Daten fehlen, wie die Wissenschaftler betonen. Dies gelte unter anderem für Südost-Asien und den westlichen Pazifik nahe Japan, China und die Philippinen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden