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Bei der Arbeitssuche verirrt

■ Das neue Arbeitsamt am Doventorsteinweg - ein Stück Lebens-Labyrinth

Ein Paradies für Putzmänner, diese neue Eingangshalle, besser Lichthof des Arbeitsamtes am Doventorsteinweg. Denn da steht nichts Überflüssiges herum, noch nicht einmal eine Topfpflanze. 400 Quadratmeter freie Fläche zum Bohnern.

„Wenn es draußen regnet“, so eine Angestellte, „gehe ich wie auf Eiern durch die Halle, weil der Boden so glatt ist. Hier haben sich schon etliche auf die Nase gelegt.“

Ein stabiler Seelenhaushalt und eine perfekte Körperbeherrschung sind für den Gang zum Arbeitsamt zumindestens wünschenswerte Voraussetzungen. Denn ist die Arbeitssuchende erst einmal kilometerweit durch verwaiste Gänge gelaufen, treppauf, treppab - vorbei an Haufen von wartenden Menschen in Sitzekken mit festem Ziel vor Augen und hat an lauter verschlossene Türen geklopft, beschleicht sie vielleicht das Gefühl, sie sei vom

Schicksal vergessen worden.

„Klar finden wir uns hier zurecht“, berichten drei junge Männer auf Arbeitssuche, „nur, daß wir eine Stunde vor dem falschen Zimmer gewartet haben.“

Ein anderer: „Ich habe hier nicht wieder herausgefunden. Überall lange Flure, und niemand ist zu sehen. Alle Türen sind verschlossen. Plötzlich fand ich mich im Innenhof wieder.“ Beim nächsten Mal will er einen Kompaß dabeihaben.

„In den dritten Stock? Da müssen Sie hinter dem Fahrstuhl“

-die freundliche Dame streckt den rechten Arm im rechten Winkel vom Körper aus - „den langen Gang entlang und da...“

-der Arm dreht sich gefährlich nach hinten - „geht es in den Dritten.“ Beim nächsten Arbeitsamt-Kunden ist der andere Arm dran. Über

Nackenverspannungen brauchen sich die Damen am Informati onsschalter des neuen Arbeitsamtes am Doventorsteinweg nicht zu beklagen. Sie haben sozusagen einen Büro-Job mit eingebautem Aerobik.

Um auch einen Sachbearbeiter zu befragen, steige ich in den Fahrstuhl, das ist schon mal total falsch, denn der fährt nur bis in den Zweiten. Dort ist die Treppe nach oben mit einer Kette verhängt.

Ein Arbeitsberater: „So ein neues Gebäude strahlt natürlich auch etwas anderes aus als ein altes. Ich würde mich als Arbeitssuchender aufgewertet fühlen, wenn ich in die helle, hohe Eingangshalle komme.“ Eine Kollegin: „In Habenhausen hatten wir ein Großraumbüro. Wir Sachbearbeiter müssen viel rechnen,

aber im Großraumbüro wird man dauernd abgelenkt. Wir haben uns auf die Einzelzimmer hier gefreut.“

Wieder im Flur. Jemand kommt mit einer Akte aus einem Büro. Schließt ab, geht zum Nebenzimmer, schließt es auf, geht hinein, kommt wieder heraus, schließt wieder ab, schließt die eigene Tür wieder auf und verschwindet. Bei jedem Bediensteten scheppert ein Schlüssel in der Hand, denn hier gehört alles immer abgeschlossen.

Ich renne den Flur entlang, jetzt aber raus hier, irgendwo muß wieder eine Treppe sein, links rum, nein, da geht es überhaupt nicht weiter, rechts wieder ein langer Flur. Alles weiß, wie im Krankenhaus, und riecht es nicht auch ein bißchen so? Beate Ram

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