: Bei Peking rechts abgebogen
Hippen empfiehlt: Die Regisseurin Erica von Moeller erzählt in ihrem Film „Fräulein Stinnes fährt um die Welt“ von der ersten Frau, die im Automobil um die Erde fuhr
Von Wilfried Hippen
Reisefilme waren einmal ein extrem lukratives Genre. Und eines der ersten, denn schon die Gebrüder Lumiere schickten Kameramänner in die Welt, damit sie mit ihren sogenannten „travelogues“ das Publikum zuhause durch exotische Ansichten in Erstaunen versetzten. Noch in den frühen 60er Jahren gehörte die Dokumentation „Traumstraße der Welt“ von Hans Domnick zu den erfolgreichsten deutschen Filmen. Die bescheidenen Anfänge dieser „Traumstraße“, der „Panamericana“, die durch den amerikanischen Kontinent führt, konnte man 1931 in dem Dokumentarfilm “Im Auto durch zwei Welten“ von Carl-Axel Söderström bewundern. Wenn man damals mit einem Automobil um die Erde fahren wollte, war dies eine schwierige Angelegenheit, und das resolute Fräulein Stinnes zahlte in Peru tatsächlich einen Trupp von Arbeitern, um die Straße zu bauen, auf der sie dann über die Anden fahren konnte. Auch die 80 Tage, die Jules Verne sich im späten 19. Jahrhundert als Maß der globalen Beschleunigung erträumte, waren 1928 auf vier Rädern längst noch nicht zu erreichen. Zwei Jahre und ein paar Tage dauerte die triumphale Umrundung der Erde auf vier Rädern.
Die Industriellentochter Clärenore Stinnes kann man wohl am besten mit dem schönen alten Wort burschikos beschreiben. Das privilegierte Leben hatte sie mit einem mehr als gesunden Selbstvertrauen ausgestattet, und so gab es keine Schwierigkeiten, die nicht bewältigt werden konnten, als sie es sich in den Kopf setzte, als erste Frau mit einem Auto um die Welt zu fahren. Neben zwei Mechanikern, die aber schon im Schlamm von Sibirien schlappmachten, nahm sie den schwedischen Kameramann Carl-Axel Söderström mit, denn schon damals galt ein Ereignis nur dann als wahr, wenn es Bilder davon gab. Fast wäre der „Adler 6 Standard“ im zugefrorenen Aralsee eingebrochen, in der Wüste Gobi lauerten wilde Stämme und in Peru musste die Straße eben noch gebaut werden, aber Söderström scheint auch in den kritischsten Momenten immer noch Zeit dafür gefunden zu haben, seine Kurbelkamera aufzubauen, und eindrucksvolle Aufnahmen zu drehen. Seinen 60 Minuten langer Film hat die Regisseurin Erica von Moeller in ihren Spielfilm eingebaut, und so wird von neu inszenierten Sequenzen, in denen die Schauspielerin Sandra Hüller im Auto durch Landschaften fährt, direkt auf das die stummen Schwarzweiß-Aufnahmen geschnitten, die Söderström damals drehte. Da sieht man dann auch die wirkliche Clärenore Stinnes im Bild, und dass diese Diskrepanz kaum irritiert, sondern dem Film statt dessen sogar eine zusätzliche Ebene gibt, spricht dafür, dass Erica von Moeller genau weiß, was sie hier macht.
Ausgehend vom umfangreichen Material, das aus dem Film 1400 Fotos und den Tagebüchern der beiden Erdumfahrer besteht, drehte sie die Reise nach. Da man Authentizität in diesem Fall getrost vergessen kann, fällt es kaum weiter auf, dass sie natürlich nicht mit ihrem Filmteam ebenfalls um die Erde gereist ist, sondern sowohl die mongolische Wüste wie auch die südamerikanischen Berglandschaften in Marokko gefunden hat -- also ausgerechnet dem Erdteil, in dem Fräulein Stinnes nicht einen Meter gefahren ist. Von einer Panne kann man mehr erzählen als von tagelanger ruhiger Fahrt. So wird etwa die ganze Durchquerung der USA in knapp zwei Minuten abgehandelt. Zum einen passierte auf den Highways nicht mehr viel und den Grand Canyon konnten die locationscouts wohl in Marokko nicht finden. Sandra Hüller spielt das Fräulein Stinnes als eine resolute Heldin, die sich von keinem Mann etwas sagen lässt und dabei oft komisch, aber nie lächerlich wirkt.