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Archiv-Artikel

Bei Joop! marschieren die jungen Männer zu Roxy Music mit Seitenscheitel und Lederjacke auf. Aber wann ist Schluss mit dem Konfirmandenlook? Im Pelz und in der Blue Jeans

VON ULRICH GUTMAIR

Eva! Eva! Bitte, Eva!“, rufen die Fotografen, als die Frau namens Eva durch die Zone mit den Joop-Logos marschiert. Bis auf einen, der fragt seinen Nebenmann, welche Eva das sei. „Das ist Eva Padberg!“ So sieht die aus. Demnach hatte ich mir wenigstens korrekt gemerkt, dass der Name „Padberg“ mit dem Adjektiv „blond“ zu verknüpfen ist. „Ist es okay, mit der Geschichte anzufangen, wie ich mich mit einem Celebrity-Fotografen solidarisiere, der nicht weiß, wie Eva Padberg aussieht?“, frage ich meine Frau. „Wer ist Eva Padberg?“, fragt sie zurück. Noch ist Polen nicht verloren. Wahrscheinlich hat meine fließend ins Unbestechliche übergehende Unvoreingenommenheit mir die Ehre verschafft, der Präsentation der kommenden Herbst/Winter-Kollektion von Joop! beiwohnen zu dürfen.

Es ist die letzte Kollektion von Dirk Schöneberger. Er hatte vor zwei Jahren erstmals seine Ideen für eine Neudefinition des nach Weggang von Wolfgang Joop angeschlagenen Labels vorgeführt und Hoffnung verbreitet. Die männlichen Models tragen strenge Seitenscheitel, was gut mit Anklängen an die Dreißiger und Vierziger und natürlich frühen Achtziger zusammengeht. Die Zweireiher und die Schnitte klassischer Motorrad- und Militärjacken sehen sehr schlicht und also gut aus. Gewagt ist das von Schöneberger hochoffiziell eingeleitete Revival der Lederjacke, die einst kommunistische Funktionäre aus dem Wedding trugen. Schade ist nur, dass auch dieser Designer der Unsitte verfallen ist, derart kurze Jacketts zu schneidern, dass die sie tragenden Männer unweigerlich wie noch nicht geschlechtsreife Konfirmanden aussehen. Er kombiniert sie mit Hochwasserhosen.

Die weiblichen Models, die immer wieder mit Pelzteilen angetan sind, wollen zu dem Style, den sie tragen, nicht recht passen. Das liegt nicht nur an ihren superbraven Langhaarfrisuren. Wenn man modemäßig an die Ästhetik des globalen Faschismus von Mussolini bis zum New Deal, die Verbindung von Sachlichkeit und Mondänität, Funktion und Verherrlichung anspielen muss, dann braucht es Models, die ein Einverstandensein mit Weiblichkeit wenigstens signalisieren können. Unterernährte Models werden als somatisch gewordener Selbsthass gelesen. Es sind, laut der so charmanten wie freigiebig ihre Kenntnisse teilenden Mary Scherpe von Stil in Berlin, keine Topmodels dabei.

Das macht aber nichts, denn die Musik zur Schau ist ziemlich gut. DJ Hell und Mike van Dijk sind dafür verantwortlich. Es sind Bearbeitungen von Roxy-Music-Stücken, die durch strenge Technobeats und New-Wave-Synthies zusätzlichen Drall entwickeln, darunter ein wunderbarer Remix von DJ Fetish. Die Neuaneignung von Roxy Music ist, excusez moi, das weiß ich auch, nicht mehr ganz le dernier cri. Aber bitte, wir befinden uns hier in der Neuen Nationalgalerie unter lauter Anzugträgern.

Anders ist’s draußen vor der Tür, wo mich vier Punkmädchen überfallen. Wer ich denn sei, wollen sie wissen. Das Interesse gilt nicht mir als Person, sondern dem Wunsch, Zugang zur Diesel-Party erlangen. Da muss ich passen, so weit reicht mein Arm als Society-Reporter der taz dann doch nicht. Die jungen Frauen haben bei der Joop!-Schau als Anziehhilfen für die Models gearbeitet. Das also ist das Lumpenproletariat der Mode: Es trägt Dreads, raucht Haschisch und hat seit dem 14. Lebensjahr jeden Winter dieselbe Wollmütze auf dem Kopf. Und die sieht aus wie meine.