: Behinderte demonstrierten für Gleich-berechtigung / Das „Blaue Kamel“ wurde wegen Falschparken abgeschleppt
Der 4. Bremer Protesttag gegen Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen und für ein Bremisches Gleichstellungsgesetz verlief nicht ohne unangenehme Überraschungen. Der Zeitplan sah am gestrigen Mittag eine Demonstration durch die Innenstadt vor. Am Hauptbahnhof sollte bei einer Zwischenkundgebung „Das Blaue Kamel“, die Symbolfigur des Protesttages, begrüßt werden. Doch der überlebensgroße Wagenaufbau hatte die Nacht nicht, wie angeblich mit den Ordnungsbehörden abgesprochen, dort verbracht, sondern war wie ein falschgeparktes Auto abgeschleppt worden.
Über 100 Menschen standen in Erwartung des 200-köpfigen Demonstrationszuges im Regen. Ähnlich müssen sich die Vertreter der Behindertenverbände bei einer Anhörung von Bremer Politikern zu ihrem Gesetzesvorschlag wenige Stunden zuvor gefühlt haben. „Sämtliche Fraktionssprecher haben sich zwar mit unseren Zielen solidarisiert,“ so Petra Zornhagen von der Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“. „Doch haben auch alle erklärt, sie hielten unsere Forderungen nicht für finanzierbar.“
Zu den Forderungen der Behindertenverbände gehört u.a. die Sicherstellung des integrativen Unterrichts, auch über das 6. Schuljahr hinaus, der vorrangige Ausbau ambulanter Hilfen und behindertengerechte Änderungen der Landesbauordnung.
Pflegebedürftige Schwerstbehinderte befänden sich in einer vollkommen ungeklärten Situation, berichtet Petra Zornhagen: „Aufgrund fehlender Bestimmungen für die Pflegeversicherung wird anhand von wechselnden Übergangsregelungen des Landes entschieden, ob Behinderte ambulante Pflege in Anspruch nehmen können oder stationär behandelt werden müssen.“ Das führe zu großen Verunsicherungen und oft auch zur Einschränkung der Wahlfreiheit.
Grundsätzlich gelte aber, so Zornhagen, daß die Ansprüche Behinderter nicht ausreichend rechtlich abgesichert seien. Deswegen habe man den Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz erarbeitet. „Man kann zwar nicht alles verordnen, aber ohne Gesetzesänderung passiert gar nichts.“
Der Gesetzesentwurf wurde im Anschluß an die Demonstration vom Behindertenparlament in der Bremischen Bürgerschaft beraten und verabschiedet. Bindende Wirkung hat das Papier jedoch nicht. Petra Zornhagen hofft aber, eine Anhörung in der Sozialdeputation im Herbst „führt zur Klärung von Umsetzungsmöglichkeiten.“
cic/Foto:K.Heddinga
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