: Behinderte ausgesondert
Der Stadtrat im münsterländischen Rheine treibt Machtspiele auf dem Rücken von behinderten Kindern
RHEINE taz ■ Der integrative Unterricht für behinderte Kinder in Rheine ist nun endgültig vom Tisch. In der letzten Ratssitzung wurde der Entschluss vom Mai mit neuen Mehrheiten noch einmal bekräftigt. Die Konsequenz: Die Kinder, die bisher in Kindergärten und Grundschulen mit nichtbehinderten Altersgenossen unterrichtet wurden, müssen im nächsten Schuljahr auf die Sonderschule.
Doch die Ratsmitglieder in der münsterländischen Kleinstadt scheinen nicht zu wissen, was sie wollen: Bei der Mai-Sitzung stimmte noch ein Großteil der CDU-Fraktion für und die SPD mehrheitlich gegen eine Integrationsklasse an der Elisabethschule. Als die Grünen vergangene Woche den Fall noch einmal zur Abstimmung brachten, verkehrten sich die Verhältnisse: Die CDU wollte plötzlich keine Debatte mehr, obwohl die SPD ein Umdenken signalisiert hatte. Der Antrag auf Aufhebung des Mai-Beschlusses wurde in einer Geheimabstimmung mit 25 zu 19 Stimmen abgelehnt.
„Das ist zynisch“, sagt der Grüne Ratsherr Michael Reiske, der bei beiden Sitzungen gegen die Abschiebung der Kinder auf die Sonderschule stimmte. CDU-Fraktionschef Josef Wilp habe die Sache mit den Worten „Neue Informationen gibt es nicht“ abgehakt. Und er habe einen Fraktionszwang erwirkt. „So wichtig kann ihm die Zukunft der Kinder nicht sein“, sagt Reiske.
Die meisten SPD-Parlamentarier waren bei der Mai-Sitzung von einem Lehrer aus den eigenen Reihen überzeugt worden, dass es besser sei, nicht gegen den Willen der Schule zu agieren. Die hatte sich in zwei Versammlungen gegen die Aufnahme der fünf Kinder ausgesprochen. Dann fand bei der SPD ein Umdenken statt: Fraktionsvorsitzender Günter Thum warb in seiner Partei für den Antrag der Grünen, weil er sich „durch Fachvorträge und Gespräche mit Schulaufsicht und Behindertenbeirat informiert habe.“ Man müsse einfach diesen Kindern das „Grundrecht auf Unterricht an einer Regelschule ermöglichen.“
Doch die späte Erkenntnis hilft den Eltern der fünf betroffenen Kindern nicht weiter: „Für uns ist die Entscheidung des Rats nicht nachzuvollziehen“, sagt Ulrich Baggemann, Sprecher der Elterninitiative. „Es scheint da irgendwelche Machtspiele zu geben, in die wir keinen Einblick haben.“ NATALIE WIESMANN