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Befreite Gebiete in SyrienFreiheit unter Beschuss

In der Ortschaft Soran scheint das Regime wie vom Boden verschluckt. Rebellen und selbst ernannte Stadträte organisieren den Alltag.

Die Revolutionsflagge! Stammt aus der Zeit vor der Machtübernahme des Assad-Clans. Bild: dapd

SORAN taz | Abu Mohammed nimmt es genau. In einer riesigen Kladde hat er minutiös Spenden aufgelistet: Name, Betrag, Datum. Die kleinste Summe sind 500, die höchste 25.000 Syrische Lira, alles von Einwohnern dieser Kleinstadt nordöstlich von Aleppo gespendet. Umgerechnet sind es eher Kleckerlesbeträge – 100 Lira entsprechen etwa einem Euro –, aber viel Geld hat hier keiner mehr. Was zählt, ist die Geste. Sie ist ein Zeichen der Solidarität unter den Einheimischen mit den Menschen, die durch den Krieg ihr Hab und Gut verloren haben.

Die Spenden sind für die Notfallklinik von Soran. Klinik ist dabei ein hochtrabendes Wort. Es ist eine ehemalige Erste-Hilfe-Station, die schon lange verwaist war. Vor sechs Monaten zog das Regime aus Soran ab. Die Ortschaft mit ihren rund 8.000 Einwohnern ist das, was man als ein gottverlassenes Nest bezeichnet. Einstöckige Häuser säumen die Straßen, die meisten sind verputzt, einzelne haben eine Sandsteinverkleidung.

Mittelpunkt des Ortes ist am ehesten die Straße mit den Schatten spendenden Bäumen, in der die Bäckerei liegt. Außerdem gibt es einen Frisör und einige Minisupermärkte. Vor anderen Läden sind die Metallrollos heruntergelassen. Soran ist jetzt befreit. Unmittelbar nach dem Abzug des Regimes übernahm die Freie Syrische Armee (FSA) das Gebäude der ehemaligen Klinik, säuberte es und machte daraus eines ihrer sogenannten Feldlazarette. Vor allem werden hier jedoch Inlandsflüchtlinge versorgt. Die Behandlung ist kostenlos.

taz-Dossier

Wie leben die Menschen im Krieg und wie könnte ihr Leben in fünf Jahren aussehen? Niemand weiß es. Mit dem sechsseitigen taz-Dossier in der Print-Ausgabe vom Freitag, 31. August soll auf Entwicklungen hingewiesen werden, die für die Zukunft bedeutsam sein könnten – von positiven Ansätzen im Widerstand über das Erstarken der Zivilgesellschaft bis zur Gefahr eines Bürgerkriegs.

NACHBARN: Kaum jemand hält noch zu Assad. Nun geht auch Ägyptens Präsident auf offenen Konfrontationskurs.

STAAT: Dem Regime entgleitet die Kontrolle über das Land. Nur das Militär ist noch fest in seiner Hand.

VERSORGUNG: Müllabfuhr, Krankenhaus – wie die befreite Stadt Soran ihre Infrastruktur neu aufbaut.

PORTRÄT: Fatma Sahra Haswanil riskiert ihr Leben, um die Aufständischen zu bekochen.

REBELLEN: Die Grenzen zwischen zivilem und bewaffnetem Widerstand sind oft fließend.

Die linke Hand von Abdul Hamid Hamsho ist bandagiert, an seinem Zeigefinger mussten die Ärzte das erste Glied amputieren. Hamsho ist vor zwei Tagen aus Aleppo geflohen. In dem Viertel, aus dem er stammt, wird schwer gekämpft. Es ist die zweite Flucht des Familienvaters. Das erste Mal habe er noch innerhalb der Stadt eine Zuflucht gesucht. „Diesmal war es so schlimm, dass ich Angst um meine Familie hatte“, sagt er. „Wir sind Zivilisten, und trotzdem haben sie uns bombardiert“, fügt er hinzu.

Es fehlt an Medikamenten

Hamsho braucht Schmerzmittel. Doch der kleinen Klinik fehlt es an Medikamenten. In seinem Behandlungszimmer zeigt der Arzt seinen Medikamentenvorrat. Auf einem Metallregal sind ein paar Schachteln gestapelt, die meisten sind fast leer. Eine alte Frau kommt mit ihrer etwa dreijährigen Enkelin. Die Kleine braucht alle zehn Tage eine Bluttransfusion. Der Arzt schickt sie nach Marea, dem nächstgrößeren Ort in der Region.

Dort gebe es ein Labor, sagt der Arzt. Es ist die reine Hilfslosigkeit. Denn er weiß, dass das Labor auch nichts machen kann. Für chronisch Kranke gibt es hier keine medizinische Versorgung mehr. „Niemand hilft uns“, sagt Abu Mohammed. „Der Westen nicht, die Araber nicht und auch nicht die Türkei. Alle reden nur.“

Abu Mohammed ist Rechtsanwalt. Doch seit seinem Studienabschluss ist er arbeitslos. „Die Regimeoberen leben im Luxus, und wir haben das Nachsehen“, sagt er. „Aber ich bin Sunnit, deshalb kriege ich keinen Job.“ Die führenden Kräfte des Regimes gehören wie Präsident Baschar al-Assad der Minderheit der Alawiten an.

Das Gefühl von Unrecht und der Benachteiligung hat den 24-Jährigen wie so viele nach Ausbruch der Protestbewegung auf die Straße getrieben. Zwar gab es in manchen Orten bereits früh bewaffnete Kämpfer. Doch die meisten haben wie der schlaksige 24-Jährige friedlich demonstriert.

Versprochene Reformen

Assad versprach Reformen, schnell wurde jedoch klar, dass er allenfalls Reförmchen im Sinn hatte, die den wachsenden Chor der Regimekritiker nie und nimmer befriedigen konnten. Stattdessen wanderten immer mehr ins Gefängnis. Dabei hatten im Westen nicht Wenige geglaubt, dass, wenn es einen Herrscher im Nahen Osten gebe, der zu Reformen fähig sei, dann der Augenarzt, der in Großbritannien die Vorzüge der Demokratie genossen hatte.

Stattdessen schickte Assad Soldaten und Geheimdienstler auf die Straßen und ließ die Proteste niederschießen. Erst dann formierte sich der bewaffnete Widerstand. Von feindlichen Mächten gesteuerte Terroristen nennt das Regime die Rebellen. Nach schweren Kämpfen haben die Rebellen Ende Juli die letzten Bastionen des Regimes in der Gegend um Soran unter ihre Kontrolle gebracht. Von einzelnen Militärbasen abgesehen beherrschen sie jetzt die gesamte Region zwischen Aleppo im Westen und al-Bab im Osten bis zur türkischen Grenze im Norden.

Das Regime, so scheint es, ist buchstäblich wie vom Boden verschluckt. Bilder von Assad oder seinem Vater Hafis? Fehlanzeige. Nicht einmal zerstörtes oder zerkratztes Konterfei ist während der Fahrt durch die Region zu sehen. Aber auch Insignien der Regimegegner sind selten. Auf der kleinen Klinik in Soran weht die Flagge der Revolution. Das war’s dann aber auch. „Hau ab, Ente“ hat jemand auf eine Hauswand gesprüht. Ente nennt man hier Assad.

Ab und zu sieht man einen Rebellen in Tarnuniform. In jedem Dorf und in jeder Kleinstadt gibt es mindestens ein paar Dutzend Bewaffnete. Aber die meisten kämpfen derzeit an der Front in Aleppo. Nach Hause kommen sie nur, um zu schlafen und Nachschub zu besorgen. Darüber hinaus sind sie für die Sicherheit zuständig, denn Polizisten gibt es keine.

Zehn „Stadträte“

Die seien mit dem Regime verschwunden, heißt es. Für Ruhe und Ordnung sorgen bedeutet in diesem Fall, Leute festzunehmen. Dabei schrecken die Rebellen in ihren improvisierten Gefängnissen auch vor Folter nicht zurück, wie Berichte von Menschenrechtlern zeigen.

Die zivile Verwaltung halten derweil Freiwillige wie Abu Mohammed und selbst ernannte Stadträte am Laufen. Der Rechtsanwalt gehört zu einer Gruppe von hundert Männern, die sich um die Flüchtlinge in Soran kümmern. Mohammed Said ist einer der zehn „Stadträte“ von Soran. Said ist Händler, früher hatte er ein gut florierendes Import- und Exportunternehmen. Durch den Krieg ist sein Geschäft weitgehend zum Erliegen gekommen.

Jetzt kümmert er sich darum, dass in Soran der Müll entsorgt wird, die Bewohner Wasser haben, oder er schlichtet in Streitfällen. Strom gibt es zwar nicht immer, aber immerhin wird er trotz der schweren Kämpfe weiterhin aus Aleppo geliefert. Wasser gab es auch schon früher nur einmal in der Woche. Deshalb müssen Männer wie Said jetzt Traktoren organisieren, die Wasser an die Haushalte liefern. Bisher scheint das zu funktionieren. Schwieriger ist dagegen die Lebensmittelversorgung.

In den Hügeln im Westen und Norden gedeihen Obst- und Nussbäume. Die Ebene, in der Soran liegt, ist – zum Glück für die Bewohner – fruchtbar. Jetzt, im Spätsommer, gibt es noch genügend Obst und Gemüse. Aber was wird, wenn der Winter kommt? Schon jetzt sind Mehl, Reis, Nudeln und Konserven knapp.

„Baschar bringt uns um, und die ganze Welt schaut zu.“

Vor der Bäckerei hat sich eine lange Schlange gebildet. Männer und Frauen drängen sich um die Ausgabe. Ein paar Freiwillige versuchen, Ordnung in die Reihen zu bringen. Vergeblich. Wie einen wertvollen Schatz drückt ein kleiner Junge die Plastiktüte mit rund zehn Fladenbroten an sich, die es für jede Familie gibt. „Hier, das ist, was wir zu essen haben“, schreit eine Frau wütend. „Warum hilft uns niemand? Baschar bringt uns um, und die ganze Welt schaut zu.“

Die Frau ist wie Abu Mohammed und die meisten in der Region Sunnitin. Sunniten bilden die Mehrheit im Land und tragen den Aufstand, sie zahlen aber auch den höchsten Preis dafür.

Nach dem Überraschungsangriff der Rebellen auf Damaskus und Aleppo im Juli hat Assad auch die letzte Zurückhaltung gegenüber der Zivilbevölkerung aufgegeben. Rücksichtslos beschießt die Armee Wohnviertel, die in die Hände der Rebellen gefallen sind, mit Granaten und schwerer Artillerie.

Immer häufiger setzt Assad auch die Luftwaffe ein. Dem haben die Rebellen nichts entgegenzusetzen. Sie ziehen sich vor der militärischen Übermacht zurück und warten auf die nächste Gelegenheit. Zurück bleiben die Zivilisten, die schutzlos der Willkür des Regimes ausgeliefert sind. Zehntausende sind auf der Flucht.

In der Schule gegenüber der Notfallstation in Soran haben rund 150 Menschen Schutz gefunden. Mit ihren Kindern und Enkeln haust Um Ahmed, die Mutter von Ahmed, in einem leeren Klassenzimmer. „Wir müssen hier auf dem nackten Boden schlafen“, sagt die stämmige Alte. „Wo ist die UNO?“

Die Luftangriffe um Soran nehmen zu

Um Ahmed fordert wie Abu Mohammed und die meisten hier ein Eingreifen des Westens. Um Ahmed kann nicht verstehen, dass die Nato in Libyen eingegriffen hat, in Syrien ein Flugverbot bisher aber nicht in Erwägung zieht. „Ist unser Leben weniger wert als das der Libyer?“, fragt Um Ahmed.

Auch in der Gegend um Soran nehmen die Luftangriffe zu. Mitte August wurden in der Stadt Asas an der türkischen Grenze mindestens 30 Personen durch einen Bombenangriff getötet. Seitdem kreisen regelmäßig Kampfjets über der Region und bombardieren offenbar wahllos Wohngegenden. Sollte das Regime darauf setzen, den Rebellen damit den Rückhalt zu entziehen, ist das bisher misslungen.

Abu Mohammed käme es nie in den Sinn, zur Waffe zu greifen. Doch mit Leib und Seele steht er hinter der FSA. „Hilft man uns nicht, weil wir Sunniten sind?“, fragt Abu Mohammed. „Wir wollen doch auch nichts anderes als die Libyer. Wir möchten einfach in Frieden und Freiheit leben.“

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7 Kommentare

 / 
  • IZ
    Ich zweifele

    Ich verstehe es nicht. Ich verstehe die Menschen und die Medien nicht. Assad kann ein Machthaber sein, aber es gibt auch noch andere Fakten.

     

    Libyen und Ägypten werden von Islamisten regiert, dadurch werden die Frauen- und die Menschenrechte untergraben.

     

    Syrien ist der letzte laizistische Staat im Nahen Osten.

     

    Die Frauen sind relativ frei und können ungestört ihre Freizeit gestalten.

     

    Die „Rebellen“ sind Terroristen, Dschihadisten, Salafisten, Kleinkriminelle und nur einige sind wirkliche Rebellen.

     

    Diese werden von Saudi-Arabien und Katar, den rückständigsten Länder der Erde, mit Waffen und Geld beliefert.

     

    Saudi-Arabien möchte in Syrien eine „Demokratie“ und in Bahrain wird ein Volksaufstand brutal unterdrückt (mit saudischen Soldaten).

     

    Das Königreich Saudi-Arabien versteht sich als streng islamischer, nicht-säkularer Staat, dessen Recht, Gesellschaft und Politik auf Stammestraditionen, Religion und der Scharia in strenger wahhabitischer Auslegung basieren. (siehe auch http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/SaudiArabien/Innenpolitik_node.html)

     

    Saudi-Arabien ist eine absolutistische Monarchie, somit auch eine Diktatur und hat mit Demokratie nichts zu tun.

     

    Die Frauenrechte in Saudi-Arabien sind bekannt („In Saudi-Arabien gilt strikte Geschlechtertrennung, ein Fahrverbot für Frauen und das islamische Recht Scharia.“ siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-plant-arbeitsstaedte-nur-fuer-frauen-a-849718.html).

     

    In Libyen haben jetzt radikale Islamisten freie Hand. Wer hält diese auf? Wo sind die UNO und die westlichen Staaten? (siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-islamisten-zerstoeren-muslimische-heiligtuemer-a-852091.html)

     

    Die neue Demokratie Libyens fängt mit der Verbannung unverschleierter Frauen an (siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-unverschleierte-frau-muss-buehne-bei-parlamentsfeier-verlassen-a-849076.html)

     

    Das ist Tunesien nach der „Revolution“: In der geplanten Verfassung Tunesiens ist keine Rede mehr von der Gleichstellung von Mann und Frau (siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/tausende-frauen-demonstrieren-in-tunesien-fuer-ihre-rechte-a-849873.html)

     

    Als die „Rebellen“ Damaskus nicht einnehmen konnten, haben diese Aleppo angegriffen. Eine vollkommen funktionierende Stadt wurde dem Untergang geweiht!

     

    Syrien hat 90% seiner benötigten Medizin selbst hergestellt. Jetzt sind die Menschen auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen.

     

    Es werden Waffen und Geld geliefert. Wieso machen die Westlichen Staaten den gleichen Fehler wie in Afghanistan? Wieso werden radikale Islamisten aus dem Ausland, die sich ihrem Irrglauben des Dschihad ausleben, mit Waffen und Geld gesponsert? Wieso wird der radikale Islamismus hoffähig gemacht?

     

    Wenn die Asad-Regierung so schlimm ist, wieso stellen sich alle religiösen Minderheiten hinter Assad?

  • T
    toddi

    Aus aktuellem Anlass, wer sich die Bilder aus Darayya anschaut kann die Soldaten verstehen, die den Schuldigen dieser Massenmorde den Kampf bis zur Vernichtung schwören. Wer diese Kämpfer sieht hat begriffen, die werden kämpfen bis der letzte von diesem Mörderpack aus der Welt getilgt ist oder bis zum letzten Bluttropfen. In sämtlichen besetzten Gebieten wüten diese „Todesschwadrone von westlichen Gnaden“ in gleicher oder ähnlicher Form. Nach diesen Erfahrungen darf getrost davon ausgegangen werden das auch die Ursache der Eskalation in Syrien, die ominösen Heckenschützen (mit den langen Bärten) Mörder im Auftrage des Westens waren. Denn niemand forderte zum Anfang der Demonstrationen ein Abdanken Assads, so musste „lenkend“ eingegriffen werden. Die von den Gegnern verbreitete Variante hatte sowie keine logische Ebene wenn man betrachtet wem nützt was. Zitat ungekürzt:

    LÄNDLICHE UMGEBUNG VON DAMASKUS, (SANA)- Eine Gruppe von Söldnerterroristen in Zamalka, landliche Umgebung von Damaskus, hat eine Anzahl von Bürgern einschließlich Männern und Frauen entführt und sie vor den Augen der Bevölkerung massakriert.

    Eine Quelle in der Provinz sagte, dass die Terroristen die Leichen ihrer Opfer in der Sheikh-Askar-Moschee gestapelt und die Moschee mit Sprengfallen vermint haben. Die Quelle fügte hinzu, dass die Terroristen planen, Granaten auf die syrische Armee abzuschießen, um die Armee dazu zu zwingen, zu antworten, und erklärte weiter, dass gleich ob die Armee antwortet oder nicht, die Terroristen die Moschee sprengen werden um die Armee zu beschuldigen ein Massaker begangen zu haben, um so die öffentliche Meinung der Welt am Abend vor der angesetzten Ministersitzung des Weltsicherheitsrates gegen Syrien aufzubringen. H. Zain/ al-Ibrahim

    Was da passiert ist, ist die geradezu klassische Massaker-Marketing-Strategie, die wie in Libyen so auch in Syrien von Anfang an die grundlegende Basis der in Syrien aktiven Terroristen und der sie unterstützenden NATO- und GCC-Staaten zum Regime Change bildete. Die in Zamalka massakrierten Menschen wurden ausschließlich zu Propagandazwecken ermordet und würden ohne die Komplizennschaft der Masenmedien der NATO- und GCC-Staaten mit den Terroristen vermutlich noch leben. In jüngeren Abwandlungen der Massaker-Marketing-Strategie mischen Terroristen wie in Huola und Duma im Kampf gefallene Terrorkameraden mit von Terroristen extra zum Zweck der Propaganda ermordeten Frauen und Kindern, präsentieren wie in Hasrata gekidnapte Sicherheitskräfte zuerst stolz als “Sieg gegen das Regime” – nur um sie anschließend grausam zu ermorden und als von Soldaten oder “Shabiha” ermordete Zivilisten zu vermarkten. Oder die Terroristen verwenden wie in Darayya eine Mischform dieser Methoden.

    Seltener benutzt wird von den Terroristen hingegen inzwischen die beispielsweise im Juni 2011 beim “Jisr-ash-Shugur-Massaker” Methode, Bilder von ermordeten syrischen Soldaten mit der Behauptung zu verbreiten, sie seien von anderen Regierungskräften ermordet worden, weil sie sich weigerten, auf die Bevölkerung zu schießen oder sich den Terroristen anschließen wollten. Wenn es den Terroristen gegenwärtig gelingt, Regierungskräfte oder -anhänger zu ermorden, dann brüsten die Terroristen sich inzwischen stolz damit, so etwa wie es etwa bei Emordung führender Mitglieder der Berri-Familie in Aleppo war, oder bei den Postbediensteten in Al-Bab, wo sich die Terroristen stolz filmen ließen, wie sie die Körper ihrer Opfer vom Dach des Gebäudes warfen.

    Die frappierende Ähnlichkeit des Vorgehens der Terroristen in Libyen und Syrien scheint indes kein Zufall zu sein: in Syrien aktive Terroristen erhalten ihre terroristische “Ausbildung” unter anderem in Libyen von Instruktoren aus NATO- und GCC-Staaten. Zitat Ende

    Und falls hier „einige“ Rätseln wieso der „unbesiegbare“ Westen nicht einschreitet, er dazu weder in der Lage noch bereit, auch hier einige Auszüge aus „Warum Papiertiger Nato keinen Syrien-Krieg wagt — Stimme Russlands“ Zitat: Syrische Armee zu stark

    Die Erklärung dafür, dass der Westen nach wie vor keinen Militäreinsatz gegen Baschar Assad wage, sei ganz simpel: Syrien sei militärisch stark, schrieb Chramtschichin in einem Gastbeitrag für die am Mittwoch erschienene Ausgabe der russischen Wochenzeitung „WPK“. Die syrische Militärtechnik sei zwar zum Teil veraltet, aber durchaus einsatzbereit. ......Syrien habe rund 5.000 Panzer und 500 Kampfjets, wobei alle Nato-Länder insgesamt nur 20.000 Panzer und 6.000 Kampfjets besäßen, die sich dazu noch in verschiedenen Regionen der Welt befänden. Wenn man von einzelnen Nato-Ländern rede, sei nur das US-Heer der syrischen Armee nach der Zahl der Kampffahrzeuge überlegen. Das syrische Militärpotential sei real, das westliche dagegen eher ein Papiertiger. Das habe der Libyen-Einsatz belegt. Europa und Kanada hätten damals insgesamt rund 100 Kampfjets entsandt, obwohl ihnen formell mehr als 2.500 Maschinen zur Verfügung stünden. Manche Nato-Mitglieder wie Deutschland, Griechenland oder osteuropäische Länder hätten überhaupt keine Lust, bei einem Militäreinsatz mitzumachen.“ Zitat Ende in diesem Zusammenhang hier eine (mir) neue höchst interessante Informationsquelle http://www.politaia.org/terror/scheitert-das-imperium-an-syrien/ man beachte auch die zusätzlichen Links

    Wenn man nun überlegt das Syrien ein Beistandspakt mit dem Iran hat, der über ähnlich starke Ressourcen verfügt, bei einem direkten durch das Völkerrecht nicht gedeckten Krieg mit Syrien - auch sämtliche Sanktionen (zu mindestens für einen großen Teil der Welt) wieder auf den „Prüfstand“ kämen, wird einem schnell klar warum (nach westlichem Kalkül) die Menschen im arabischen Raum sich gegenseitig abschlachten sollen, zumal wie ich schon mehrfach ausführte das Primärziel schon erreicht ist ...

    ein Angebot für Menschen die sich ihre eigene Meinung bilden wollen – die Position der „anderen Seite“ ist in den „freien Medien“ glaube ich hinreichend dokumentiert ;-) …

  • M
    Moppel

    "Stattdessen schickte Assad Soldaten und Geheimdienstler auf die Straßen und ließ die Proteste niederschießen."

     

    Lügen werden auch durch ständiges Wiederholen nicht

    wahr.

    So begannen die Unruhen:

    http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/143026#.UED0HsWa9aT

  • J
    Jörn

    Gerade auch die taz scheibt immer wieder, dass die Wahrheit das este Opfer eines Konfliktes ist. Daher wäre es gut, die Quellen der Berichte offen zu legen sowie wie dieser Bericht entstanden ist. Gibt es da unabhängige ReporterInnen oder eher embedded Journalists? Dürfte einE ReporterIn es wagen, einen kritischen Bericht bzgl. der Rebellen zu schreiben oder würde er/sie sich dadurch in Lebensgefahr begeben?

  • EE
    E. Engels

    Vielleicht darf man auch mal fragen, was aus den regierungstreuen Bewohnern Sorans wurde. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die ebenfalls vom Boden verschluckt wurden - allerdings ganz wörtlich.

     

    Und Frau Rogg kann man vorwerfen, dass sie offenbar an keiner Stelle auf die Idee kam, direkt nachzufragen - was ja wohl eine der ersten Fragen gewesen wäre, die bei einer vernünftigen Recherche aufkommen würde.

     

    Stop - ein kleines Fitzelchen kommt dann doch noch ganz kurz und quasi im Vorübergehen zur Sprache. Den ganzen Rest muss man sich daraus erschließen:

     

    "Für Ruhe und Ordnung sorgen bedeutet in diesem Fall, Leute festzunehmen. Dabei schrecken die Rebellen in ihren improvisierten Gefängnissen auch vor Folter nicht zurück, wie Berichte von Menschenrechtlern zeigen."

     

    Jetzt hätte Frau Rogg nachhaken können: wer sorgt denn da so für Unruhe und Unordnung, dass man ihn gleich festnehmen und foltern muss?

     

    Aber offenbar ist das uninteressant und ohnehin in Ordnung: denn damit ist dieses Thema abgehakt, und es kommen gleich wieder optimistische, rebellenfreundliche Stimmen zu Wort. Wir dürfen dann wohl mal davon ausgehen, dass es in Soran keine anderen mehr gibt, weil ... Na, weil die Rebellen ja allseits soviel Unterstützung genießen.

     

    Oder gibt es auch andere Gründe dafür, dass man in einer Rebellenhochburg nur rebellenfreundliche Stimmen hört?

     

    Super recherchiert, Frau Rogg - geradewegs wie aus der Londoner Gemüsekiste.

  • N
    Nobilitatis

    Ich fühle mich von der taz-Berichterstattung mehr und mehr veralbert. Ein paar Punkte, die mir auffielen:

     

    - Der ägyptische Präsident ist Muslim-Bruder und gehört damit zu der gleichen politischen Richtung wie die islamistischen Rebellen. Es wäre verwunderlich, wenn er Assad unterstützen würde.

     

    - Ein Rechtsanwalt bekommt seine Aufträge von Mandanten. Warum sollte die Regierung Schuld sein, wenn er keine Arbeit hat?

     

    - Die Polizisten sind mit Sicherheit aus den "befreiten" Gebieten geflüchtet, damit sie nicht ermordet werden. Wahrscheinlich zusammen mit den Postbeamten, Müllarbeitern, Christen, Alawiten, Journalisten usw.

     

    - Das Narrativ von der Revolution, die wegen zusammengeschossenen friedlichen Demonstrationen entstand (und jetzt angeblich verroht) ist aus allen für uns möglichen Blickwinkeln falsch. Einmal ist die Vorstellung, dass eine unterdrückte Opposition sofort die Sturmgewehre aus dem Schrank holt, nicht realistisch - siehe Russland, Weißrussland, Ukraine, Zimbabwe, Schiiten in den Ölemiraten usw.; dann steht fest, dass bei den friedlichen Demonstrationen mehr Polizisten starben als Demonstranten. Außerdem ging es dort nicht um Demokratie, sondern um Sturz des "gottlosen" Präsidenten. Und schließlich lehnt die Opposition sämtliche Verhandlungen ab und will ihre Vorstellungen militärisch durchsetzen. Das passt nicht zusammen. Auch wenn Syrien keine Demokratie ist und die Menschen dort mit Sicherheit Veränderungen wollen, das was die Rebellen bringen, ist nicht das Ziel der Mehrheit der Bevölkerung.

    - Wer eine zivile Gesellschaft will, müsste die OHNE Beteiligung der Rebellen organisieren. Solange "Aktivisten", "LCCs" und andere das nicht versuchen, sind sie Teil der bewaffneten Fraktion.

  • S
    Stev

    "Befreite Gebiete":

    Befreit von Terroristen? Befreit von Religionsterror? Befreit von Andersdenkenden? Befreit von Andersgläubigen? Befreit von Minderheiten? Befreit von Bürgerrechten? Befreit von Gleichberechtigung?

    Ja was nun? Bevorzugte Variante bitte ankreuzen, liebe TAZ-Redaktion, und dann mal sehen, wie ihr das mit der Redaktionslinie in Einklang bekommt.