: „Beendigung kolonialer Teilung“
■ Für den irakischen Diktator Saddam Hussein ist Kuwait ein „integraler Bestandteil des Iraks“ Der Irak hatte aber zuletzt 1963 die Grenzziehung zu Kuwait völkerrechtlich anerkannnt
Am Dienstag nachmittag gab zunächst die vom Irak installierte „provisorische Regierung des freien Kuwait“ im irakischen Fernsehen die Ausrufung der „Republik Kuwait“ bekannt. „Das Ziel des Aufstands gegen das korrupte und imperialistische Regime Kuwaits“, so begründete die Bagdader Marionettenregierung ihren politischen Schritt, „sind nicht begrenzte Reformen. Kuwait braucht einen fundamentalen Wandel. Das Feudalistenregime ist daher für immer abgeschafft.“ Anschließend waren Bilder von einem Empfang zu sehen, bei dem der irakische Regent Saddam Hussein in Bagdad den Chef der „provisorischen Regierung“ Alaa Hussein Ali umarmte.
Doch schon kurz darauf gab Saddam Hussein zu verstehen, daß eine „provisorische Regierung“ eben auch ein Provisorium bedeute und daß dem Ölemirat nun ein fundamentalerer Wandel als nur die Installierung einer Regierung von Bagdads Gnaden ins Haus stehe. Die Invasion irakischer Truppen, erklärte der Bagader Herrscher, sei „die Beendigung einer kolonialen Teilung“, die nur „einer Minderheit Reichtum beschert“ habe. Neu ist diese Begründung nicht. Denn schon seit langem vertrat der mesopotamische Despot die Auffassung, Kuwait verdanke seine staatliche Existenz ohnehin nur den belanglosen Linealstrichen britischer Kolonialbeamter.
Zweifellos neu indes war Saddams Zusatz, in dem er die Invasion als notwendige Folge des „irakischen Siegs über Iran“ darstellte. Und er fügte hinzu: Von nun an sei Kuwait integraler „Bestandteil des Irak“. Kuwait als verspätete irakische Kriegsbeute?
Beobachter sind sich nun sicher, daß die offizielle Annexion Kuwaits noch am Mittwoch via TV allen Bürgern des Zweistromlandes mitgeteilt werden wird. Bereits am Vormittag hieß es, am Abend werde ein Kommunique verlesen, das „einen Tag großer Freude im Leben der Iraker und Araber“ bedeute. Wie dauerhaft die Annexion auch immer sein mag, die Herrschaft der seit über 250 Jahren regierenden Emire der as -Sabah dürfte damit zu Ende sein.
Völkerrechtlich fußen die territorialen Begehrlichkeiten des irakischen Staatschefs freilich auf tönernem Fundament. Nach Ansicht des britischen Völkerrechtlers Marc Weller sind sie schlicht „null und nichtig“. Der in Cambridge lehrende Weller betonte, schon der britische Hohe Kommissar für den Irak habe mit dem Herrscher von Kuwait einvernehmlich den Grenzverlauf festgelegt.
Großbritannien verwaltete nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und dem Abzug der türkischen Paschas das Gebiet des heutigen Iraks im Auftrag des Völkerbundes. Das kuwaitische Territorium hatten die Engländer schon 1889 unter ihre Fittiche genommen und praktisch zum britischen Protektorat erklärt. Dieser Status, der 1961 mit der formalen Wiederherstellung der kuwaitischen Unabhängigkeit endete, beließ der Herrscherdynastie der as-Sabah aber weitgehende innen- und außenpolitische Freiheiten.
Im Dezember 1927 bestätigte der irakische König ausdrücklich die britischen Verpflichtungen. Im Sommer 1932, kurz bevor London sein Völkerbundmandat niederlegte, haben, so Weller, Kuwait und der damalige irakische Regierungschef Nuri as-Said die Grenze in einem offiziellen Briefwechsel anerkannt. 1963 bestätigte der Irak in einem Vertrag die staatliche und territoriale Souveränität Kuwaits schließlich zum zweiten Mal. Dieser Vertrag, meinte der Cambridger Völkerrechtler, sei ordnungsgemäß bei den Vereinten Nationen registriert. Saddam Hussein freilich wird kaum um Einsicht in die völkerrechtlichen Akten bitten.
Walter Saller
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