: Bedrohte Meeresgiganten
Walhaie werden auf den Philippinen streng geschützt. Wissenschaftler wissen bisher nur sehr wenig über den Riesenfisch. Der Planktonfresser ist vom Aussterben bedroht. In einigen ostasiatischen Staaten werden die Fische als Delikatesse geschätzt
AUS DONSOL HILJA MÜLLER
Dave David hat Glück heute früh. Im Nu hat er Touristen gefunden, die ihn kostenlos mit auf ihr Boot nehmen. Es ist kurz nach 7.30 Uhr, das Meer in der Bucht des philippinischen Dorfs Donsol liegt spiegelblank in der hellen Tropensonne. Ideales Wetter, um auf Walhai-Pirsch zu gehen. Natürlich nicht mehr wie früher, als die Fischer von Donsol die im lokalen Dialekt „Butanding“ genannten Walhaie (Rhincodon typus) abschlachteten. Jeder tote Walhai bedeutete viel Geld, denn in einigen ostasiatischen Nachbarstaaten gilt das Fleisch als Delikatesse und die pulverisierten Flossen als Potenzmittel.
Seit 1998 haben die größten Fische unseres Planeten in philippinischen Gewässern offiziell nichts mehr zu befürchten. Ein Gesetz verbietet die Tötung und den Handel der bis zu 18 Meter langen Giganten. Unter Anleitung des World Wide Fund for Nature (WWF) wurde ein für das südostasiatische Land einzigartiges Ökotourismusprojekt aufgebaut, das der Region einen nachhaltigen Geldsegen verspricht.
Und so garantiert wie die migratorischen Walhaie in den Monaten Februar bis Mai durch die Gewässer vor Donsol pflügen, so sicher kommen inzwischen die Touristen. Tausende haben jedes Jahr ihren Spaß daran, neben den absolut friedlichen Planktonfressern herumzuschnorcheln. Der WWF vermutet, dass nirgends auf der Welt so viele der Meeresgiganten zusammenkommen wie in den Gewässern von Donsol.
Doch es ist eben nur eine Vermutung. Denn Walhaie sind eine nahezu unerforschte Tierart. Bis Mitte der 1980er-Jahre wurden nicht mehr als 350 Begegnungen mit den friedlichen Riesen dokumentiert. Die australische Organisation Ecocean hat sich nun der Erforschung der Haie verschrieben. Das wird höchste Zeit, denn die Planktonfresser stehen bereits auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten.
Da man aber fast nichts über Walhaie weiß, seien gezielte Rettungsmaßnahmen bisher kaum möglich gewesen, so der Konsens unter Experten. „Nur wenn wir die Routen dieser Migranten, ihre Futter- und Paarungsgründe kennen, können wir diese auch unter Schutz stellen“, argumentiert man bei Ecocean.
Um den Walhaien auf die Schliche zu kommen, benutzen die Forscher modernste Methoden. Einigen Exemplaren wurden Sender unter der Haut verankert, um sie per Satellitenpeilung rund um den Globus zu verfolgen. Wesentlich billiger ist eine zweite Methode: Fotos von Walhaien werden in einer Datenbank gesammelt und mittels einer Software ausgewertet, die einst für das Hubble-Teleskop zur Identifizierung von Sternbildern entwickelt worden ist. Denn Walhaie haben ein einzigartiges Punktemuster auf ihrem bootsbreiten Rücken. Während Laien bei den weißen Tupfen an Bambi decken, wissen Experten, dass anhand der Punkte jeder Walhai zweifelsfrei identifiziert werden kann. „Das Muster eines Walhairückens ist genauso einmalig wie der menschliche Fingerabdruck“, weiß Dave David.
„Seit April 2007 beteiligen wir uns an dem Forschungsprojekt“, berichtet der WWF-Mann. Dafür sei er nahezu täglich unterwegs. „Die meisten Touristen, denen ich von unserem Vorhaben erzähle, sind sehr interessiert und laden mich auf ihr Boot ein.“ Wird der gewaltige Schatten eines Walhais vom Boot aus gesichtet, macht David seine Unterwasserkamera fertig. Fotos will er vor allem von einer bestimmten Stelle am mächtigen Körper des Walhais machen: jene hinter dem linken Kiemen.
Die zweifelsfreie Identifizierung eines Walhais ist nur möglich, wenn das Punktemuster auf den Fotos von derselben Stelle stammten. Seine Bilder sendet David dann zur Ecocean-Datenbank, wo sie mit den bereits gespeicherten Aufnahmen abgeglichen werden. So weiß der Filipino rasch, ob er einen Neuankömmling oder einen alten Bekannten vor der Linse hatte. Und ob der „Butanding“ auch schon am Ningaloo Reef in Westaustralien oder anderswo auf der Welt gesichtet worden ist.
„Wenn es geht, tauche ich aber auch noch runter, um das Geschlecht des Walhais zu identifizieren“, erklärt David. Während die Touristen aufgeregt ihre erste Begegnung mit einem „Butanding“ Revue passieren lassen, trägt der Tierschützer gelassen Daten in eine Liste ein: Länge, Geschlecht, etwaige Narben am Körper des Walhais. Alles ist von Interesse bei dem Versuch, mehr über die Riesen der Meere zu erfahren. „Im vergangenen Jahr haben wir 114 Walhaie identifiziert. Dieses Jahr sind wir bereits bei 123 Exemplaren, und die Saison ist ja noch lange nicht zu Ende“, freut sich der WWF-Experte. Immerhin 84 Walhaie seien alte Bekannte aus der Saison 2008, „das haben Fotoabgleiche zweifelsfrei ergeben.“
Auch Touristen können sich an dem Forschungsprojekt beteiligen, indem sie ihre Fotos zur Verfügung stellten. Denn je mehr Menschen bei der Aufbau der Datenbank (www.whaleshark.org) helfen würden, desto rascher käme man den größten Migranten der Meere auf die Schliche. Und wer einmal ein Foto eingestellt hat, bekommt mit etwas Glück bald eine E-Mail. Wird der Fisch anderswo auf der Welt geortet, wird das dem Fotografen mitgeteilt.