■ Das Portrait: Bedrängte Anwältin
Eren Keskin Foto: Amnesty International
„Vermutlich werde ich im Gefängnis auf das Make-up verzichten“, spottet Eren Keskin. Bei Versammlungen beeindruckt die Anwältin nicht nur durch ihre Wortgewandtheit, sondern auch durch Eleganz und durch ihr dezentes Make-up. Vor wenigen Tagen wurde sie von Zivilpolizisten festgenommen und sitzt nun im Gefängnis Bayrampasa in Istanbul.
Im September 1994 hatte das türkische Staatssicherheitsgericht sie zu zweieinhalb Jahren Haft wegen „separatistischer Propaganda“ verurteilt. Der Grund: Ein Bericht an das belgische Parlament mit dem Titel „Was die Welt dem kurdischen Volk schuldig bleibt“, der später als Aufsatz in der mittlerweile verbotenen prokurdischen Tageszeitung Özgür Gündem erschien. Eren Keskin ist hinter Gittern, weil sie in dem Aufsatz eine einfache Wahrheit formuliert hat: Der Staat betreibe eine „barbarische Attacke“ auf das kurdische Volk.
Eren Keskin hat jahrelang politische Gefangene verteidigt und war im Menschenrechtsverein aktiv. Der Staat hat ihr das nicht verziehen. Bereits in der Vergangenheit wurde sie mehrfach festgenommen. Sie wurde auf der Polizeiwache geschlagen und beleidigt. Als sie als Berichterstatterin für den Menschenrechtsverein ins kurdische Diyarbakir reiste, wurde aus einem Auto auf sie geschossen. Und kurz bevor sie ihre Haft antrat, wurde ihr Mandant Ridvan Karakoc ermordet aufgefunden – eines der vielen Opfer der türkischen Todesschwadronen.
Sie ließ dennoch nicht davon ab, ihre Mandanten zu verteidigen und Folter und Vergewaltigungen auf Polizeiwachen anzuprangern. „Sie massakrieren Menschen. Sie stecken Dörfer in Brand. Da finde ich es nicht anormal, daß ich wegen meiner Gesinnung ins Gefängnis komme“, sagte sie der linken Wochenzeitung Söz vor ihrer Festnahme. Sie wußte um die Inhalte von Aufrichtigkeit und Integrität. Im März heiratete sie den kurdischen Rechtsanwalt Ahmet Zeki Okcuoglu, nach eineinhalbjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen.
Keskin ist keine kurdische Nationalistin. Sie ist noch nicht einmal in kurdischer Kultur großgeworden. Ihre Mutter war Tscherkessin, ihr Vater war kurdischer Abstammung. Aufgewachsen ist sie in der türkischen Kultur. Doch hat sie stets Partei ergriffen für das kurdische Volk. Sie wollte die unterdrückte Geschichte des kurdischen Volkes studieren – im Gefängnis: „Dort, wo die Menschen sind, die ich liebe.“ Ömer Erzeren
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