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Beck im Metropol

Kein Ende in Sicht. Kaum hatte Herr Cobain das Zeitliche gesegnet, war seine Plattenfirma Geffen die nächste Generation-X-Ikone in die gierigen Klauen geraten: Beck Hansen, ein 23jähriges Jüngelchen, das mit seinem „Loser“ die erleichternde Hymne für postpubertierende, orientierungslose Schlurfis und Schlaffis getextet hatte. Eigentlich wollte er nur mal seinen im stillen Kämmerlein gedachten und gemachten Nähkästchen- Sound auf Tonträger gepreßt sehen, doch in nullkommanix wurde aus Beck ein Pop- und Medienstar.

Nun muß er sich damit rumschlagen, entweder der Idealtypus für eine verlorene Neunziger-Jahre-Generation zu sein, oder der schlau- gewiefte Popverweigerer, der alle Medien- und Plattenfirmenkartelle zum Narren hält und als Marionetten für sein mal roadmovendes, mal homerecorderndes Spielchen gebraucht. Passend dazu ließ er sich jedenfalls in seinen Major-Vertrag die Klausel reinschreiben, so viele Platten wie möglich auch bei anderen, kleinen Plattenfirmen herauszubringen, so daß er ganz arglos den Markt gleich mit drei Alben overkillte.

Foto: promo

Anders als auf „Mellow Gold“ jedoch, wo seine Stimme und Stimmungen bis aufs krudeste verzerrt sind, wo Beck mit Drum-Beats und Samplern herumspielt, sogar tanzkompatible Stücke abfallen, und wo man des öfteren den irritierenden Eindruck nicht los wird, daß die eigene Anlage ein paar loopings dreht, hört man auf den beiden anderen Alben eher konventionelle, sparsam abgerüstete Folk-Country- und Blues-Leckereien. Nicht mehr, nicht weniger, und da leuchtet Beck am liebsten Helden wie Woodie Guthrie oder Johnny Cash heim.

Bestens geeignet als juveniler Muntermacher für sauertöpfische Folkfreaks, ist dieser Knabe – bei aller möglicherweise fehlgeleiteten Rezeptionswut – zumindest ein willkommener homme fatal im zwar boomenden, doch maßlos überschätzten und totgehypten Singer/Songwriter- Gewerbe, der ganz nebenher noch ein paar ähnlichen Außenseitern und modernen Kaspar Hausers wie Smog, Calvon Johnson oder Jad Fair den Gang aufs Publicity- Treppchen freimacht. Ganz brav ist Beck jetzt auf Europatour gegangen, und das sollte auch für lichtscheue Teenage Cavemen ein Grund sein, sich unters trendbewußte Volk zu mischen. Gerrit Bartels

Heute, 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

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