■ QUERBILD: Beautiful Girls
Sie kurven hin und her, sie jagen den Motor hoch, sie baggern und schieben, sie klopfen sich in die halberfrorenen Hände und kehren bei jeder Gelegenheit in ihre Stammkneipe ein, um sich aufzuwärmen. Ein Winter irgendwo in Massachusetts, wo die Seen idyllisch zufrieren, wo die Nasen rot sind, die Anoraks dick und die Blockhütten heimelig. Es sind große Jungs um die 30 – bis auf einen allesamt weit entfernt vom ominösen „Erwachsensein“, und ihre Schneepflüge sind ein Traum von Kinderspielzeug, passen also ganz vortrefflich zu den Mitgliedern dieser Ex-Highschool-Clique, die irgendwo auf dem beschwerlichen Weg, ein verantwortungsbewußter Mann zu werden, einen Zwischenstopp eingelegt haben und nun nicht mehr sicher sind, wie es weitergehen soll.
In dieser Wartezeit reden sie in Beautiful Girls über Frauen, über Treue und Jobs, übers Heiraten und das Geld, über die alten Zeiten. So geht das Leben seinen Gang, und wenn sie nicht mehr weiterwissen, ist bestimmt wieder Neuschnee gefallen, den es wegzuräumen gilt – im günstigsten Fall direkt vor die Garageneinfahrt der Liebsten. Die Frauen sind da, obschon auch arge Plappermäuler, wieder einmal ein Stück weiter, klüger und frischer, aber ebenso unerfüllt – kein Wunder, bei diesen albernen Männern, die sie von Herzen liebhaben, jedoch so wie man seinen Lieb-lingsteddy lieb hat. Anders haben die es vorerst auch nicht verdient.
Das klingt ebenso unspektakulär, wie es ist, macht aber in seiner Mischung aus Diner und Der große Frust erstaunlich viel einfachen Spaß – eine trotz seiner Harmlosigkeit doch intelligente Alternative zu all den kurzatmigen und hanebüchenen „Generation X“-Filmen. Regisseur Ted Demme, der talentierte Neffe seines berühmten Onkels Jonathan, hat sich für Beautiful Girls ein Jungstar-Ensemble zusammengestellt, das er sicher führt: es glänzen sehr dezent und ganz selbstverständlich Uma Thurman, Matt Dillon, Mira Sorvino, Rosie O'Donnell und Natalie Portman.
An der Spitze dieser Winterparade steht Timothy Hutton als Oberteddy Willie, ein Gelegenheitspianist aus New York, der in der Vorweihnachtszeit seine alte Heimat besucht und feststellen muß, daß er sich von all dem Kleinstadtgeschehen und -denken allenfalls geografisch entfernt hat. Mit jedem Tag scheint sich die smarte Rechtsanwältin, die in der großen, sehr fern erscheinenden Stadt auf seinen Heiratsantrag wartet, mehr in ein Stück Erinnerung zu verwandeln. Am Ende des im besten Sinne warmherzigen, kaum kitschigen Films, nach Tränen, Schlägen und der Beerdigung einiger spätpubertärer Träume, sind alle ein Stückchen reifer. Vielleicht gibt es sogar doch noch eine Art erfülltes Leben – auch jenseits der 30. Aber sicher ist das natürlich nicht.
Clara Wolff siehe Filmübersicht
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