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BeamtenpostenSpott über Stoibers neuen Job

Bundespräsident? EU-Kommissionspräsident? Superminister? Bayerns scheidender Ministerpräsident hat mal wieder eine Job-Entscheidung getroffen - Grüne und FDP feixen.

"Hohes Ansehen": Stoiber darf Barroso helfen. Bild: dpa

MÜNCHEN taz/dpa Der CSU-Chef Edmund Stoiber übernimmt Anfang Oktober unmittelbar nach dem Rückzug als bayerischer Ministerpräsident die Leitung eines neuen EU-Gremiums. Es handelt sich im eine kleine Truppe zum Bürokratie-Abbau. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigte die Berufung Stoibers. "Herr Stoiber ist ein bekennender Europäer und eine herausragende Persönlichkeit von hohem Ansehen", sagte er, um seine Entscheidung zu begründen.

Stoiber soll insgesamt 15 Experten vorsitzen, die die Kommission bei ihren hehren Zielen beraten soll: Bis 2012 will sie die so genannte "Bürokratielast" der Wirtschaft um ein Viertel verringern. Das soll einen volkswirtschaftlichen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro einbringen - wenigsten in der Theorie.

Stoibers Fast-Jobs:

Bundespräsident:

Vor kurzem schlugen CSU-Politiker Stoiber mal wieder als Nachfolger von Horst Köhler vor. "Unsinn", sagte Stoiber. "Ein Glücksfall für alle Kabarettisten", sagte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Dabei hätte Stoiber den Job angeblich schon zuvor haben können - und lehnte ab.

Bundeskanzler:

Sein Traumjob. Am 22. September 2002 hatte er ihn fast. Er erklärte sich zum Wahlsieger und wollte "ein Glas Champagner aufmachen". Doch die Prognosen änderten sich. Gerhard Schröder wurde Kanzler.

EU-Kommissionspräsident:

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bot an, ihm den hochrangigen Posten zu verschafften. Stoiber überlegte - und schlug aus.

Superminister:

Erst kündigte er an, Bundeswirtschaftsminister mit erweiterten Kompetenzen im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel werden zu wollen. Kurz bevor es ernst wurde, machte er einen Rückzieher - die Entscheidung läutete seinen Niedergang ein, die in seinem Sturz Anfang diesen Jahres gipfelte.

Was hätte der Stoiber nach seinem Ministerpräsidentenamt schon alles werden sollen: Bundespräsident, Kommissionspräsident, Superminister, doch bislang hatte sich alles zerschlagen - oder er es ausgeschlagen (siehe Kasten). Nun reicht es nur noch für ein Expertengremium.

Der Sprecher der Bundesregierung Ulrich Wilhelm sagte in Berlin, die Entscheidung der Brüsseler EU-Kommission werde von der Regierung "nachdrücklich unterstützt". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei von der Berufung "vermutlich unmittelbar vorher informiert" worden. Genau wusste er es aber auch nicht.

Der Wechsel Stoibers sei mit Merkel abgesprochen, hieß es auch in München. Stoiber werde ehrenamtlich in Brüssel arbeiten und weiter in Bayern bleiben. Das neue EU-Gremium aus etwa 15 Mitgliedern werde ein bis zwei Mal im Monat in Brüssel zusammenkommen. Der Arbeitsgruppe solle ein ständiger Stab aus EU-Beamten und Fachleuten zuliefern. Die Arbeit sei zunächst auf drei Jahre angelegt.

Barroso hatte Stoiber den Vorschlag nach Medienberichten bereits am 24. Juli in einem vertraulichen Gespräch in der Münchner Staatskanzlei unterbreitet. Grüne und FDP in Bayern reagierten mit Spott auf den geplanten Wechsel Stoibers. Der Grünen-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Sepp Dürr, sagte, Stoiber habe "die Bürokratie gehegt und gepflegt". Die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sprach von einer "unglaublichen Ironie".

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