■ Bayernwahl: Keiner kann die Position der CSU anfechten! Keiner?: Die Angst vor dem Genossen Trend
Die Formel der CSU für ein maßgeschneidertes Ergebnis bei der Landtagswahl lautet 50 plus X. Die Formel der SPD für ein maßgeschneidertes Ergebnis lautet 30 plus XXL. Erreicht sie es, hat die CSU weiterhin Übergröße und die SPD Untergewicht. So sind die Proportionen in Bayern.
Zwar würde die CSU auch mit 48 Prozent, ja wahrscheinlich sogar mit 45 Prozent noch allein regieren können. Doch ums Regieren geht es bei Wahlen in Bayern schon lange nicht mehr. Das X ist es, was die CSU unter den deutschen Parteien heraushebt, was sie zu einem singulärem Phänomen des europäischen Konservativismus macht. So wie Bayern kein Bundesland, sondern ein Freistaat ist, so ist die CSU nicht einfach Partei, sondern Staatspartei.
Das X ist bedeutsamer als das C. Sie trägt ihren Offizial-Katholizismus wie eine Monstranz und ist zugleich, wie Carl Amery einmal feststellte, die größe Christentums-Verhinderungspartei. Bedeutsamer als das S ist das X allemal, denn die CSU war in der Union von Anfang an der Antipode des sozial geprägten Linkskatholizismus rheinischer Provenienz. Und auch das U, der Verbund mit den Christdemokraten, wird zur Disposition gestellt, wenn es die Macht sichern hilft. Mehr als vierzig Jahre ist es her, daß die CSU in Bayern eine Partei unter anderen war, 1966 wurde das letzte Mal bei einer Landtagswahl ein Stimmenanteil von unter 50 Prozent erzielt. In dieser historischen Dimension wird das Ergebnis der morgigen Wahl betrachtet.
Eine 50 minus X wäre ein Signal des Niedergangs. Der Nimbus der Allmächtigkeit wäre erschüttert. Es würde bedeuten, daß der Genosse Trend in Bayern Einzug gehalten hat, daß sich die Landespolitik nicht gegen die Geschehnisse im Bund immunisieren kann.
In Bonn, nicht in München liegt die Schwachstelle der CSU. Denn innerhalb der Landesgrenzen ließe sich kaum etwas finden, das einen Niedergang der Christsozialen begründen könnte. Die Eckdaten der Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung lassen die Regierung Stoiber gut dastehen. Laptop und Lederhose nennt Bundespräsident Herzog die spezifische bayerische Kombination von Tradition und Moderne, mit der die CSU selbst ein Drittel der SPD-Wähler für ihren Spitzenkandidaten einnimmt. Stoiber ist unangefochten, seit er 1994 trotz der Amigo-Affären die 50 plus X sicherte. Stabilisiert er das Ergebnis, weist ihn das allerdings noch nicht für die nächste Karrierestufe aus. Denn in dem Maße, wie er den bayerischen Regionalismus betont und darüber seine Macht sichert, im gleichen Maße stößt er auf Ablehnung nördlich der Mainlinie. Das hat bereits Franz Josef Strauß für das Amt des Bundeskanzlers diskreditiert, und sein Adlatus ist von weit geringerem Format.
Zieht der Bundestrend die CSU nach unten, wird er sich bis zur Bundestagswahl nicht mehr umkehren. Die beiden dann möglichen Optionen sind für die CSU unterschiedlich risikoreich. Eine Große Koalition wird das Verhältnis zwischen Bonner und Münchner CSU spannungsreicher machen. Wäre Waigel in eine solche Regierung eingebunden, wäre sein eh gestörtes Verhältnis zu Stoiber noch mehr belastet. Seine Hausmacht würde abnehmen. Stoiber muß auf eine stärkere Abgrenzung der Partei gegen eine sozialdemokratisch regierte Bundesregierung bedacht sein.
Dieses Bestreben wird noch stärker werden, sollten bei der Landtagswahl rechte Parteien nennenswerte Zugewinne verzeichnen. Denn das Straußsche Verdikt, daß es neben der CSU keine demokratische rechte Partei geben darf, ist eine Überlebensmaxime. Muß sie dieser Maxime Rechnung tragen, wird die CSU eine mögliche Große Koalition nicht um jeden Preis eingehen. Vor allem dann nicht, wenn als Alternative ein labiles rot-grünes Bündnis lockt. Das würde, um den Preis des Machtverzichts, ein höheres Maß an innerer Geschlossenheit der Union gewährleisten. Der Preis würde um so eher bezahlt werden, wenn sich die Opposition als temporärer Zustand erweisen würde. Aber über die Stabilität und Dauer einer neuen Regierung hat sich auch die SPD schon einmal bitter getäuscht. Dieter Rulff
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