: Bayern muss finanzielle Verstrickung klären
Urteil: CSU-Staatsregierung darf Auskünfte über Subventionen für die Wirtschaft nicht länger verweigern
MÜNCHEN taz ■ Es brechen schwere Zeiten an für bayerische Amigos – und über kurz oder lang gilt das auch für Strippenzieher in der ganzen Republik. Denn: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die CSU-Staatsregierung ihre Verweigerungshaltung bei Anfragen zu Subventionen und wirtschaftlichen Zusammenhängen bei Staatsbeteiligungen aufgeben muss.
Drei Landtagsabgeordnete der Grünen hatten 2004 gemeinsam mit ihrer Landtagsfraktion Organklage erhoben. Die Grünen legten dem Gericht vier Beispiele vor, in denen die Staatsregierung Antworten verweigert hatte – mit Verweis auf die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Darunter: die Verstrickung und Beteiligung der staatseigenen Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) in die „Schneider Technologies AG“, die mittlerweile pleite ist.
Die Grünen hoffen nun auf Klärung, ob die LfA den Steuerzahler um Millionen Euro gebracht oder verschleierte Gewinne gemacht hat. Zugleich stehen von Aktionärsseite Betrugsverfahren gegen die LfA an. Die nun erzwungenen Auskünfte dürften dabei ebenfalls von Interesse sein. Die grüne Landtagsopposition verlangte zudem Auskunft über Subventionen für das Internetprojekt Bayern-Online, die wirtschaftliche Situation der „Sonderabfall-Entsorgung Bayern GmbH“ und Staatsförderungen für ein Musical-Projekt.
Unter Verweis auf die Bayerische Verfassung urteilte der Gerichtshof, „dass ein Teil der Antworten der Staatsregierung die Rechte der Antragsteller“ verletzt. Demnach erstreckt sich das Recht zur parlamentarischen Kontrolle „auf jegliche Staatstätigkeit, auch soweit sie sich privatrechtlicher Unternehmensformen“ bediene. Und auch das „Verhalten der öffentlichen Hand bei der Subventionsvergabe und der Auftragsvergabe“ an vollständig private Unternehmen unterliege dieser Kontrolle. Selbst eine Verletzung von Grundrechten Dritter ist nach Ansicht des Gerichts kein Grund, eine Antwort zu verweigern: Es müssen das Informationsinteresse des Abgeordneten und das Geheimhaltungsinteresse des Dritten unter Berücksichtigung der „Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems“ gegeneinander abgewogen werden.
In der Urteilsbegründung verwies das Gericht auch auf Presseveröffentlichungen, die im Falle Schneider Zweifel an der staatlichen Rechtsaufsicht aufgeworfen hatten. (Unter anderem hatte die taz ab 2003 ausführlich über den Fall berichtet.)
Für Martin Runge, wirtschaftspolitischen Sprecher der Landtags-Grünen, ist das Urteil „ein Meilenstein bei der Subventionskontrolle und den Abgeordnetenrechten“. Es beweise, dass eine Flucht vom öffentlichen Recht ins Privatrecht nicht möglich sei. „Wir erwarten, dass das Urteil eine große Wirkung auf die anderen Bundesländer hat“, so Runge.
Auch für Transparency International (TI) ist die Entscheidung ein Erfolg in Sachen Korruptionsbekämpfung. „Es ist schließlich naheliegend, dass sich in einem Bundesland, in dem seit 50 Jahren eine Partei regiert, alle, die Geld wollen, dieser Partei nähern“, so Wolfram Rohde-Liebenau, der im TI-Auftrag den Prozess beobachtete. (Az. 11-Iva-05). MAX HÄGLER