Baustellenbesuch in der Nationalgalerie: Modernisierter Museumstempel

Vor 50 Jahren eröffnete die Neue Nationalgalerie. Mies van der Rohe hatte das Gebäude für eine kubanische Rumfabrik entworfen. Das hat Folgen bis heute.

Elf Personen mit orangen Warnwesten steigen ein Baugerüst im Inneren der Neuen Nationalgalerie empor.

Mit der Neuen Nationalgalerie geht es aufwärts: Interessierte auf der Baustelle Foto: Jörg Carstensen, dpa

Die Musik wummert durch die staubigen Betonhallen, die von Neonröhren beleuchtet werden. Aus den Boxen der Bauarbeiter im Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie an der Potsdamer Straße schallt am Dienstag „Bilder im Kopf“ des Rappers Sido. Was wie eine Underground-Party wirkt, ist nur ein Zwischenstand: Das Museum wird seit 2015 saniert. Wenn am Wochenende der 50. Geburtstag des berühmtes Gebäudes gefeiert wird, sollen die Rohbaumaßnahmen fertig sein.

Einiges ist bereits passiert, das ist auch für Laien zu erkennen: Die Terrasse vor der kubischen Glashalle wurde unterkellert. Über 600 Quadratmeter Depotfläche hat man so geschaffen. „Das Gebäude war überhaupt nicht auf wechselnde Ausstellungen eingestellt“, sagt Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, über den Bau aus dem Jahr 1968. Es galt, Asbest zu beseitigen und das Gebäude so zu sanieren, dass es den gegenwärtigen Sicherheitsbestimmungen genügt – und das alles immer unter den Maßgaben des Denkmalschutzes.

Ein Problem des Baus war bereits in seiner Konstruktion angelegt und sprang zum ersten Mal 1969 ins Auge: brechende Scheiben. Die Halle mit einer Grundfläche von 50 mal 50 Metern ist auf allen vier Seiten verglast. 56 große und ungefähr 100 kleine Scheiben wurden damals verbaut.

Großes klimatisches Gefälle

Mies van der Rohe hatte von der „Topologie des Tempels“ geträumt, als er einen ersten Entwurf des Gebäudes in den 50er Jahren auf Kuba vorlegte – dort allerdings für das Büro einer Rumfabrik. Castros Revolution machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Nachdem er das Projekt auch in Schweinfurt nicht hatte realisieren können, kam die Idee schließlich nach Berlin. Die Einfachverglasung des kubanischen Entwurfs war geblieben. Sie hielt den Berliner Temperaturunterschieden nicht stand, immer wieder brach das Glas.

Das klimatische Gefälle ist besonders groß, weil die Temperatur im Innenraum für die Kunstwerke gekühlt werden muss. Dadurch kam es zu Kondenswasser an den Scheiben. Modifizierte Stahlträger und neue Scheiben sollen das Problem beheben. Sie werden mit Spezialmaßen gefertigt, was nur im chinesischen Beilun möglich ist, sagt Projektleiter Arne Maibohm. Neben den Scheiben wurden weitere 35.000 Teile des Gebäudes demontiert und katalogisiert. Das 50 Jahre alte Gebäude wird dabei nicht anders behandelt als eine gotische Kathedrale aus dem 15. Jahrhundert.

Das aktuell staubige Untergeschoss wird weiße Wände haben, das Mobiliar den Look von Brauneiche. Nur die Decken, anders als von Mies intendiert, werden nach dem Umbau betonsichtig sein, wie es im Architekten-Jargon heißt. Dann sind zum ersten Mal die Staka-Module zu sehen, die an Bienenwaben erinnern – irgendwie muss das Architekturbüro ja seine Handschrift hinterlassen.

Die Wiedereröffnung ist für 2020 geplant. Musik von Sido wird es hier dann wohl nicht mehr geben, höchstens mal eine Matinee.

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