Baukultur versus Energieeinsparung: Fassaden dürfen bleiben
Die Besitzer von Altbremer Häusern sollen sanieren: Effiziente Dämmung und Denkmalschutz schließen sich keineswegs aus, sagt eine neue Studie.
Der Konflikt geht mitten durch die grüne Partei und ihre Klientel, die oft genug selbst vor der Entscheidung steht: Soll man sein Haus dämmen oder bedeutet das eine Verschandelung der Fassade? Energieeinsparung versus Baukultur oder gar Denkmalschutz: Diese einander widerstrebenden Impulse, die auch bei der Frage auftauchen, ob Solarpanele auf ein Altbremer Haus gehören, sind durchaus unter einen Hut zu bringen, sagt nun der grüne Bausenator. Joachim Lohse hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die energetische und wirtschaftliche Effizienz bei der Sanierung Altbremer Häuser belegt – unter Beibehaltung der Straßenfassade.
Denn die, so rechnet der Ingenieur Ingo Lütkemeyer von der Hochschule Bremen vor, mache nur 15 Prozent der Außenhülle eines Hauses aus, und davon müsse man noch die Fenster abziehen. Mit der Sanierung von Dach, Gartenfassade, Fenstern und der Kellerdecke könne der Löwenanteil der Energieeinsparung erbracht werden. Lütkemeyer und Rolf-Peter Strauss, ebenfalls Professor an der Hochschule, haben detailliert berechnet, wie sich welche Gebäudeteil-Sanierung finanziell und energetisch auswirkt, bezogen auf die verschiedenen Alterstypen des „Bremer Hauses“. Zwischen 1850 und 1914 entstand ein Vorstadtgürtel, in dem dieser Reihenhaus-Typ reich vertreten ist.
Fast die Hälfte dieser Häuser sei allerdings bereits stark überformt, sagt Strauss, so dass dort auch einer Außendämmung auf der Straßenseite keine ästhetischen Argumente entgegen stünden. Bei den gut 50 Prozent der Häuser dieses Typs, die noch über eine historische Fassade verfügen, raten die Fachleute zu einer Innenwand-Dämmung. Die erbringe nur rund 20 Prozent weniger Dämmleistung als eine Verkleidung von Außen.
Aber führt sie nicht zu noch ausgeprägteren bauphysikalischen Problemen? Noch verbreiteter als ästhetische Bedenken sind ja Befürchtungen, eine Wanddämmung führe zu Schimmelbildung. „Es ist genau umgekehrt“, sagt Lütkemeyer: „Ungedämmte Gebäude haben wesentlich größere Schimmelprobleme als gedämmte.“ Allerdings sei wichtig, dass die Dämmung fachgerecht ausgeführt werde und keine Wärmebrücken zwischen Innen und Außen übrig blieben: Temperaturunterschiede im Gemäuer führen zur Kondensierung von Feuchtigkeit und fördern die Schimmelbildung. Ein Klassiker ist der durchgegossene Balkon als perfekte Wärmebrücke, die Schimmelbildung zuverlässig begünstigt.
„Die energetische Sanierung ist die einzige Sanierungsform, die einen Kapitalrückfluss erzeugt“, betont Lütkemeyer. Seine Studie ist nun beim Bauressort und beim Bremer Energiekonsens erhältlich. Ein zweiter Teil, der Berechnungen für Wohngebäude zur Verfügung stellt, die bis 1980 errichtet wurden, ist für den Sommer angekündigt.
Bremen sei „bundesweit führend“ bei der Beratung und Förderung von Hausbesitzern in Sachen energetischer Sanierung, sagt Lohse. Wie viele Bremer Häuser bereits gedämmt sind, ist noch nicht erhoben worden. Bekannt ist nur die jährliche bundesweite Zuwachsrate an energetisch sanierten Häusern: Sie beträgt gerade mal 0,8 Prozent, in Bremen dürfte sie etwas höher liegen – was längst nicht ausreicht, um das vom Senat gesteckte Ziel zu erreichen, bis 2020 40 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes zu vermeiden. Wohngebäude verursachen ein Drittel der deutschlandweit emittierten Treibhausgase.
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