Bauernproteste wirken: Trecker fahren wird billiger
Die Bundesregierung will Landwirte steuerlich entlasten und auch Agrardiesel stärker subventionieren. Dafür sollen 500 Millionen Schulden gemacht werden.
Die große Koalition will die Steuer auf Agrardiesel senken und wird damit vor allem große Bauernhöfe entlasten. Landwirte bekommen derzeit einen Teil der Mineralölsteuer vom Finanzamt zurück. In diesem und dem kommenden Jahr soll das nicht nur für die ersten 10.000 Liter gelten, sondern auch darüber hinaus. So viel verbrauchen meist nur Höfe, die mehr als 100 Hektar haben. Kleinere Betriebe dagegen erhalten künftig 350 Euro im Jahr mehr: Bisher erstatteten die Behörden für Sprit bis zu diesem Wert keine Steuern. Das solle sich jetzt ändern, erklärten die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Peter Struck, am Montag in Berlin. Insgesamt kosten die Erleichterungen mehr als 500 Millionen Euro, die über neue Schulden finanziert werden sollen.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm begründete die Beschlüsse vor allem mit der schwierigen Lage der Milchbauern. Innerhalb kurzer Zeit seien die Preise auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gefallen. Vom derzeitigen Milchpreis könne aber kein Betrieb überleben. Auch andere Bauern kassieren etwa wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise weniger als etwa vor zwei Jahren.
Der Deutsche Bauernverband nutzte den Preisverfall dazu, massiven Druck auf die Koalition auszuüben. Am Montag ließ er nach eigenen Angaben 6.000 bis 7.000 Bauern mit 700 Traktoren an der Berliner Siegessäule auffahren.
Bislang hatte sich die SPD gegen die Steuererleichterungen für Bauern gestemmt. Noch Ende April erklärte etwa der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Hans-Ulrich Krüger, "jede steuerliche Förderung des Einsatzes von fossilem Diesel in der Landwirtschaft" sei "ökologisch und ökonomisch eine problematische Subvention". Bauern hätten die Möglichkeit, Pflanzenöl steuerfrei einzusetzen. Davon machten sie, so kritisierte Krüger "jedoch nur in geringem Umfang Gebrauch." Jetzt sagte Krüger der taz, die SPD habe dem Steuergeschenk für die Bauern im Gegenzug für Entlastungen kleinerer Handwerksbetriebe zugestimmt.
Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte die Steuerentlastung. "Das ist eine Subventionierung der rationalisierten Landwirtschaft, der Tiefladerbauern", sagte Vorsitzender Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Die 350 Euro, die kleine Betriebe sparten, seien nichts im Vergleich zu den Tausenden von Euro, die sie wegen der geringen Preise verlören. "Ursache für den Preisverfall ist, dass zu viel Milch auf dem Markt ist. Das wird dadurch nicht gelöst." Für Baringdorf ist die Steuersenkung deshalb ein "Ablenkungsmanöver" des Bauernverbands und der Agrarministerin Ilse Aigner (CSU).
DBV-Präsident Gerd Sonnleitner lobte auf der Demonstration in Berlin die Entscheidung der Koalition, einem Teil seiner Forderungen nachzugeben: "Wir werden aber keine Ruhe geben, bis wir den französischen Steuersatz erreicht haben", sagte er. Laut Bauernverband zahlen die Landwirte in Frankreich im Schnitt 0,7 Cent je Liter, während ihre deutschen Kollegen 40 Cent an den Staat abführen müssten.
Auch sonst ist Sonnleitner noch nicht zufrieden. Er verlangte, dass Molkereien sich zusammenschließen, damit sie in Verhandlungen mit Ketten wie Aldi und Lidl höhere Preise durchsetzen können. Die Betriebsprämien der EU für die Landwirte müssten statt Ende Dezember Anfang Juli ausgezahlt werden. Außerdem sprach er sich für noch mehr Exportsubventionen für Agrarprodukte aus.
Aigner stellte bei der Kundgebung in Aussicht, dass die EU die Betriebsprämien zur Hälfte schon im Oktober zahlen könnte. "Das reicht mir nicht, aber das ist das Maximale", sagte die CSU-Politikerin unter Buhrufen der Bauern. Zudem müsse die Nachfrage gestärkt werden. Dazu wolle sie von der EU-Kommission eine klare Kennzeichnung von Milchersatzprodukten fordern. So sollen Verbraucher leichter erkennen können, wenn etwa Käse auf Pizzen durch pflanzlichen "Analogkäse" ersetzt wird. Auch müssten, so Aigner weiter, die Kinder mehr Schulmilch bekommen. Sie ließ offen, wie sie das erreichen will.
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