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Bauern solidariseren sich in BrüsselMilch macht müde Bauern munter

Europäische Milchbauern schließen sich zusammen, um eine stärkere Front gegenüber der Industrie und der Politik zu bilden. Sie kämpfen für höhere Preise.

Die Milch machts. Bild: dapd

BRÜSSEL taz | Deutsche, französische und belgische Milchbauern wollen in Zukunft gemeinsam versuchen, ihre Interessen gegenüber der Milchindustrie und der europäischen Politik durchzusetzen. Dafür gründeten sie am Mittwoch in Brüssel eine sogenannte Bündelungskommission, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dass Milchbauern über die europäischen Grenzen hinweg gemeinsam über Preise und neue politische Projekte verhandeln.

„Die Milcherzeuger haben heute die gleichen Liquiditätsprobleme wie in der Milchkrise von 2009. Aber die Politiker nehmen diese Probleme nicht zur Kenntnis. Wir müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen“, sagte Sieta van Keimpema, Vizepräsidentin des Europäischen Verbands der Milcherzeuger in Brüssel. Zwar liegen die Preise noch etwas höher als vor drei Jahren, aber die laufenden Kosten seien gestiegen, sodass am Ende für die Erzeuger weniger Geld übrig bleibe als 2009.

Bereits seit einem Jahr laufen die Gespräche zu einer engeren Zusammenarbeit besonders zwischen Frankreich und Deutschland. Am Mittwoch wurde der entsprechende Kooperationsvertrag unterschrieben. In Zukunft wollen sich die nationalen Organisationen der Milchproduzenten ständig austauschen – vor allem über die Preise, die in den jeweiligen Ländern gezahlt werden.

Die Preise können nämlich stark schwanken. Während die Bauern in Frankreich zurzeit rund 33 Cent pro Liter bekommen, sind es in Belgien nur 24 Cent. In Deutschland schwanken sie zwischen 26 und 32 Cent. „Einige französische Molkereien kaufen nicht mehr in Frankreich ein, weil sie die Milch billiger aus Deutschland oder Belgien beziehen können“, sagte Paul de Montvalon vom französischen Erzeugerverband. Kartellrechtlich soll die Zusammenarbeit nach Aussage der Initiatoren unproblematisch sein.

Existenz der Milchbauern bedroht

Vor allem in Großbritannien protestieren die Milchbauern derzeit wieder gegen Preissenkungen. Die dortigen Molkereien planen, den Erzeugerpreis um bis zu 2,5 Cent pro Liter zu senken. Die Milchbauern befürchten, dass dadurch viele an den Rand der Existenz gebracht und gezwungen werden, ihre Höfe aufzugeben. Die Bauern haben daraufhin Ende Juli mehrere Molkereien blockiert. Auch der deutsche Verband der Milchbauern hat immer wieder vor einem weiteren Verfall der Milchpreise gewarnt, weil zu viel Milch auf dem Markt sei.

Dagegen will das neue Bündnis nun geschlossen vorgehen und vor allem die Gründung von grenzüberschreitenden Erzeugergemeinschaften fördern, um die Verhandlungsposition der Bauern zu stärken: „Wir brauchen ein Gegengewicht zur Milchindustrie und zum Einzelhandel. Außerdem wollen wir gemeinsam nach neuen Vertriebswegen suchen“, sagte Rainer von Hößlin von der deutschen Milcherzeugergemeinschaft.

Bisher sind nur drei Länder in der neuen Arbeitsgruppe vertreten, aber, so die Gründer, es gebe bereits Kontakte zu weiteren Organisationen etwa in Holland und Luxemburg.

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8 Kommentare

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  • D
    D.J.

    @towlie,

     

    "Ich finde es abartig, dass die EU Milch subventioniert, zu viel produziert und dann billig als Pulver nach Afrika exportiert, während da regional produzierte Milch um ein Vielfaches teurer ist."

     

    Lustig ist, dass Linke sich nie so richtig entscheiden können, ob nun teure oder billige Lebensmittel böse sind für Afrika (aber egal, Hauptsache der Westen ist schuld).

    Im Übrigen gebe ich Ihnen Recht. Subventionen sind meist ein Übel - und warum sollen Bauern nicht pleite gehen wie jeder andere Unternehmer auch?

  • N
    namaste

    "Die Herstellung von Landmaschinen und Biogasanlagen. Das verlegen der Leitungen. - Es ist fast wie bei den AKWs.

    Zudem wäre eine Havarie einer Biogasanlage für das Grundwasser der umliegenden Dörfer ebenso Katastrophal."

     

    Soso, also wenn eine Biogasanlage havariert sieht es aus wie in Fukushima? So ein Schwachsinn!

     

    Die Milch überproduktion sollte abgebaut werden, das ist klar. Aber Landwirte hier im Schwarzwald haben es wesentlich schwerer wie im Flachland und sollten dafür auch einen Ausgleich bekommen. Ohne sie würde die Natur hier ganz anders ausshen, sie machen also einen wichtigen Job (neben der Nahrungsmittelproduktion). Und wenn mehr auf Qualität und artgerechte Tierhaltung gesetzt würde, dann würde die überproduktion auch von ganz alleine zurückgehen. Aber das haben auch die Verbraucher in der Hand.

  • T
    towlie

    Mir wäre es lieber, wenn in Europa ein paar Milchbauern pleite gehen würden, und dafür viele afrikanische Länder die Chance erhielten, selber Milch zu produzieren. Ich finde es abartig, dass die EU Milch subventioniert, zu viel produziert und dann billig als Pulver nach Afrika exportiert, während da regional produzierte Milch um ein Vielfaches teurer ist.

     

    Auf den Kapitalismus schwören, aber rumheulen, wenns einem selber scheiße geht!

  • G
    Gerd

    Man sollte diese Bauern enteignen!

  • RG
    R. Grabow

    Statt mit Massentierhaltung die eigenen Preise zu ruinieren, sollten die Landwirte auf Energiewirte umsatteln.

    Landwirte haben die Fläche für Wind und Solar, die Gebäude für Energiespeicher und können dabei noch hochwertige Lebensmittel (energie für den Mensch) produzieren.

     

    Doch was machen derzeit die Landwirte?

     

    Pumpen ihre Tiere voll mit Medikamenten, dass sich im Mensch später Antibiotika resistente Keime bilden.

    Düngen mit mineralischem Dünger und verseuchen das Grundwasser mit Nitrit und Uran.

    Pflanzen Monokulturen aus Mais, was die Tierwelt und Umwelt nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringt.

    Verballern Erdöl mit schweren Landmaschinen.

    Saugen sich voll mit Subventionen die wortwörtlich vergast werden.

    Schaffen es nicht mal mehr Getreide anzubauen damit genug für die Bäckereien da ist.

    Verstopfen Innenstädte und Dörfer mit ihren Gigantomaschinen.

    Halten sich nicht an Tonnenbegrenzung und fahren Straßenbeläge unnötig schnell zu Klump.

    (es fehlen glaub ich noch ein paar Punkte, aber die sind zum Teil auch eher speziell)

     

    Wer in der Stadt wohnt mag das nicht nachvollziehen können und es gibt auch sehr viele vernünftige Landwirte. Die meisten Bauern haben bestimmt viel Freude an ihrer Arbeit.

     

    Doch was derzeit abgeht ist kollektiver Wahnsinn.

     

    Biogasanlagen wandeln Nahrund und Erdöl in Gas um.

    Weil dann nicht mehr genug Getreide vorhanden ist, müssen als Beispiel Bäckereien in Niedersachsen schon Getreide aus den USA, mit Erdöl fahrenden Schiffen, bestellen. Die Herstellung von Landmaschinen und Biogasanlagen. Das verlegen der Leitungen. - Es ist fast wie bei den AKWs.

    Zudem wäre eine Havarie einer Biogasanlage für das Grundwasser der umliegenden Dörfer ebenso Katastrophal.

     

    Im Winter bringen die Anlagen nicht genug Gas, dann wenn die Wärme am dringendsten benötigt wird. Dann muss aus der Reserve geschöpft werden.

     

    Diese Rechnung wird nie und nimmer aufgehen. Und wir bezahlen diesen Schwachsinn mit Steuergeldern.

     

    Diese Milchpreis-Nebelkerze ist IMHO eine Bauernverdummung. Für mich sieht es aus wie eine Beschäftigungstherapie für leicht beeinflussbare Landwirte.

     

    Ich zahle derzeit 1,29€ für Biomilch aus der gläsernen Molkerei in Berlin. Laktosefrei für einige meiner Gäste: 1,79€

     

    Unser ehemaliger Nachbar und Landwirt hält mich deswegen bekloppt und sagt: Er kauft Lebensmittel nur bei Aldi.

     

    Alles klar?

     

    Mir kommt Schaum vor den Mund wenn ich Bauern auf der Straße sehe, wegen zu niedriger Milchpreise.

     

    Mit dörflichen Grüßen,

    yt

  • MG
    Manfred Gerber

    Die deutsche / französisch / belgische Milchwirtschaft ist in der Sackgasse.

    Eine mit Silage und Soja gefütterte Milchkuh schafft im Durchschnitt noch 2,4 Kalbungen, begleitet von ständigem Krankheitsdruck.

    Eine Kuh aus einem Heumilchbetrieb kalbt bei guten Milchleistungen durchschnittlich 10 mal und sieht den Tierarzt erheblich seltener, als ihre falsch gefütterten Artgenossen.

    Dennoch halten die Landwirtschaftskammern an ihren die Fehlberatungen, insbes. bezüglich Silagefütterung fest.

    Die Österreicher Heumilchbauern machen solange ein gutes Geschäft mit einer Milchqualität, die selbst Biomilch in den Schatten stellt, denn auch die meisten Biobauern setzen auf milchgesäuertes Futter und tragen Ihre Kühe doppelt so oft aus dem Stall, wie es bei artgerechter Tierhaltung nötig wäre.

  • H
    Holländer

    Vielleicht sollten die Bauern versuchen statt billigen Schrott, Qualität zu produzieren. Für gute Produkte bekommt man mehr Geld, wie zum Beispiel für Vorzugsmilch. So weit ich weiß kann man in Deutschland nicht mal Milch von artgerecht gefütterte Kühe bekommen, also nur Gras und Heu wie in der Natur, kein industrielles Kraftfutter.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Höhere Michpreise sind gerecht fertigt

    Deutschlands Milchbauern sollten für ihre gelieferte Milch einen höheren Preis erzielen,als wie es bis jetzt der Fall war.