Bauer-Verlag vs. Presse-Grossisten: Netzneutralität in der analogen Welt
Zentralvermarktung der Pressegrossisten adé: Die Bauer Media Group kippt vor Gericht die bisherige Regelung. Die Verlierer planen nun ein neues Gesetz.
Kurz nachdem am Dienstag die Bauer Media Group vor dem Kölner Landgericht in erster Instanz einen Sieg gegen den Bundesverband Presse-Grosso errungen hatte, meldeten sich bereits die ersten Politiker zu Wort.
Der Verlag habe es geschafft, "die jahrelang gut funktionierende Netzneutralität der analogen Welt zu sprengen", kritisierte Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Als "fatal" bezeichnete der SPD-Medienpolitiker Marc Eumann "das Vorgehen von Bauer".
Das Landgericht hatte das zentrale Verhandlungsmandat des Grosso-Verbandes für wettbewerbswidrig erklärt. Zumindest erstinstanzlich hat der Hamburger Verlag damit durchgesetzt, mit den rund 70 Pressegrossisten, die hierzulande den Einzelhandel beliefern, separat die Konditionen für seine Objekte aushandeln zu können.
Verteidiger der bisherigen Regelung befürchten, dies könne mit sich bringen, dass ein umsatzstarker und für jeden Grossisten wichtiger Partner wie Bauer Rahmenbedingungen durchsetzt, unter denen umsatzschwächere, aber unter publizistischen Aspekten relevantere Objekte zu leiden hätten. Rößners deutliche, möglicherweise nicht hundertprozentig stimmige Bildsprache - kann man Neutralität "sprengen"? - darf man als Indiz dafür werten, dass die Lage recht dramatisch ist.
Bauer beruft sich bei seiner Klage gegen den Grosso-Verband auf § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der Erfolg für den Medienkonzern hatte sich bereits bei der mündlichen Verhandlung am 24. Januar abgezeichnet. "Diese Entscheidung stärkt die nach Artikel 5 Grundgesetz gewährleistete Pressevertriebsfreiheit der Verlage", jubelt Bauer nun in einer Pressemitteilung. Mit anderen Worten: Der Verlag, der die Republik mit Presseerzeugnissen wie Adel exklusiv und Alles für die Frau beglückt, siegte für die Verfassung, also irgendwie für uns alle. Ob sich aus Artikel 5 tatsächlich eine "Pressevertriebsfreiheit" im Sinne Bauers ableiten lässt, ist eine andere Frage.
Das alte System hat 50 Jahre funktioniert
Den hiesigen Verlegerverbänden BDZV und VDZ sowie dem Grossoverband, der gegen das Kölner Urteil Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen wird, schwebt nun eine gesetzliche Regelung vor, die Bauers Klage den Boden entziehen würde.
In einer gemeinsamen Erklärung der Organisationen heißt es, entsprechende Vorschläge würden "zuständigen Bundesministern und weiteren Politikern derzeit unterbreitet". Darauf, dass Bauer in Köln Erfolg hat, hatten sich die Verbände lange vorbereitet. Sie beabsichtigen im Zuge der achten GWB-Novelle, die ab 2013 wirksam werden soll, Regelungen zur Absicherung des Grosso-Verhandlungsmandats zu verankern.
Für viele Verlage ist es schmerzlich, dass sie nun für eine gesetzliche Lösung plädieren müssen, denn sie haben ja immer gern das Mantra gesungen, dass die Marktteilnehmer alles untereinander regeln könnten. Tatsächlich hat das Grossosystem mehr als ein halbes Jahrhundert funktioniert, weil sich alle Beteiligten - also Verlage und Grossisten - darin einig waren, dass alle davon profitieren. Viele Verlage sind nun sauer auf Bauer, weil die Sturheit der Hamburger sie zu etwas zwingt, was ihnen nicht behagt. Verglichen mit Bauers Vorstellungen ist ein Gesetz aber das geringere Übel.
Vor fünf Monaten übrigens hat Bauers Vertriebschef Heribert Bertram dem Branchendienst text intern gesagt, "ein Gesetz, das die Vertriebsfreiheit der Verlage nicht angemessen berücksichtigt", könne sein Haus nicht "akzeptieren". Eine interessante Frage wäre: Wie würde sich die Nichtakzeptanz dann äußern?
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