Basketball: Die Größe der Kleinen
Provinzclub Bamberg schlägt Dorfverein Quakenbrück im Finale um den deutschen Titel. Die Liga-Manager sehen die Zukunft des Sports trotzdem in den Metropolen.
QUAKENBRÜCK taz Dirk Bauermann war sich sicher: "Es wird die größte Party, die es je in Bamberg gegeben hat. Noch größer als 2005." Damals war Bauermann mit Bamberg zuletzt Meister geworden. Der erfolgreichste deutsche Basketballtrainer, der sich durch den 64:63-Erfolg seiner Mannschaft im vierten Finale gegen die Artland Dragons Quakenbrück den neunten Titel sicherte, kennt sich mit Siegesfeiern aus.
Es ist also nicht anzunehmen, dass die Franken am Mittwochmorgen schon wach waren, als die Basketball Bundesliga (BBL) einen bemerkenswerten Rekord vermeldete: Über eine Millionen Zuschauer hatte die Liga in der Saison 2006/07 gezählt, 18,8 Prozent mehr als im vergangen Jahr. In den Play-offs stieg der Zuschauerschnitt sogar um 29,3 Prozent auf 4.327 Besucher pro Partie. Verständlich, dass Jan Pommer, der Geschäftsführer der BBL, die vergangenen Junitage "einfach nur geil" fand.
Als letzte deutsche Liga hatte die BBL ohne die Konkurrenz internationaler Großveranstaltungen ihren 41. Meister gesucht. So erhielt die sonst im Pay-TV beheimatete Sportart Einzug in die "Tagesthemen", das "Heute-Journal" und selbst das "Aktuelle Sportstudio" schickte ein Kamerateam. Thema der öffentlichen-rechtlichen Wahrnehmung: das kleine niedersächsische Städtchen Quakenbrück, das in der Rolle des Davids den großen Goliath aus Bamberg herausfordert. So erfuhr eine breite Öffentlichkeit von den rund 1.000 Bauernhöfen im Umfeld der 13.000-Einwohner-Gemeinde und einem Balkon, den die Stadt extra für ihr Dragons am Rathaus hatte anbringen lassen. "Ein bisschen bin ich mir vorgekommen wie im Zirkus", hatte Trainer Chris Flemming gesagt, bevor seine Mannschaft als Vizemeister vom Rathausbalkon winkte. Basketball ist in Deutschland dort zu Hause, wo Hase und Igel sich gute Nacht sagen - so scheint es.
Für Jan Pommer, den studierten Juristen mit Großstadtvisionen, ist das kein erwünschtes Bild. Ginge es nach den Wünschen des BBL-Chefs, hätte sich die an Großstädten arme Liga längst Metropolen wie Hamburg oder München einverleibt. Nun standen mit Bamberg (70.000 Einwohner) und Quakenbrück die beiden kleinsten Städte im Finale. "Wir können als BBL nicht hingehen und irgendwo einen Standort eröffnen", so Pommer. Das müsse "intrinsisch" wachsen. Am besten gelingt das anscheinend in der Provinz. Während Bamberg mit einem Schnitt von 6.717 Besuchern und einer Auslastungsquote von knapp 99 Prozent der Zuschauerkrösus der Liga ist, halten die Artland Dragons den Rekord, 70 Heimspiele in Folge ausverkauft zu haben. Dirk Bauermann hält wenig von der Reduktion auf das Provinzielle. Ein Team, das in den Play-offs den Hauptrunden-Ersten Berlin und dann Meister Köln ausschaltete, habe eine "ganz hohe Qualität", sagt der Bamberger Trainer. Darauf sollte man sich konzentrieren, "anstatt ständig darauf rumzureiten, wie viel Einwohner Quakenbrück hat".
Für den "nächsten Schritt" (Flemming), nämlich international zu spielen, ist die Größe allerdings entscheidend. Zwar ist Quakenbrück als Vizemeister für den Uleb-Cup, den zweithöchsten europäischen Vereinswettbewerb, qualifiziert, doch die Artlandarena ist zu klein. Wenngleich Manager Marko Beens eigenhändig die Umkleidekabinen vermessen hat, warten die Niedersachsen noch auf eine Sondergenehmigung. Doch auch in Bamberg stoßen sie an ihre Grenzen: "Ohne den Großraum Nürnberg kommen wir nicht aus. Dort müssen wir eine Marke sein, und dort müssen wir auch Sponsoren akquirieren", sagt Manager Wolfgang Heyder. Denn das erklärte Ziel der Franken ist es, in der EuroLeague, der europäischen Königsklasse, dauerhaft eine Rolle zu spielen.
Und auch für die deutsche Liga betont Jan Pommer die Notwenigkeit der Großstadtkonzepte. "Es wäre doch dumm, die zehn Millionen Menschen in Hamburg, München oder Leipzig einfach liegen zu lassen", so der BBL-Geschäftsführer. Der provinzielle Charme der Finalserie hat der BBL im Sommer 2007 zunächst einen Boom beschert. Doch um aus einem Dorffest eine nationale Party zu machen, sollten auch ein paar Metropolen mittanzen.
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