Basketball im Osten: Löwinnen gesucht
Die Löwen Erfurt fördern neuerdings Mädchen- und Frauenbasketball. In Ostdeutschland ist das etwas Besonderes.
Was er auf keinen Fall möchte, sagt Florian Gut, sei ein Frauenteam, das „ganz unten auf der Website auch noch kurz erwähnt wird“. Wie das so oft in Vereinen der Fall sei. Gut ist Gründer und Sportlicher Leiter der Basketball Löwen Erfurt, deren männliches Profiteam seit 2018 in der 2. Bundesliga Pro B spielt. Nun verfolgt er ein weiteres großes Ziel.
Denn neben den Löwen gibt es seit dieser Saison in Erfurt noch die Löwinnen; ein neu zusammengestelltes Frauenteam, das vom Partnerverein BC Erfurt die Regionalligalizenz übertragen bekommen hat und in der Regionalliga Südost antritt. Ein Team, das für Gut ein Baustein in einem viel größeren Projekt für die Stärkung des weiblichen Basketballs in der Region darstellt. Sein langfristiges großes Ziel ist nicht nur, die gleichwertige Förderung des Männer- und Frauenteams möglichst bis zur Erstklassigkeit.
Es sollen nachhaltige Strukturen geschaffen werden für eine breite, weibliche Nachwuchsarbeit in der Region und Vorbilder für Mädchen und junge Frauen, damit diese überhaupt anfangen, Basketball zu spielen. Angelehnt ist der ganzheitliche Ansatz an Guts großem Vorbild, was Nachwuchs- und Vereinsarbeit im Basketball angeht: Alba Berlin.
Die Riethsporthalle im Erfurter Norden ist erstaunlich gut besucht an diesem ersten Heimspieltag der Löwinnen, dabei ist es erst früher Nachmittag. Später am Abend spielen die Männer, aber schon jetzt feuern rund 50 Zuschauer:innen das junge Frauenteam an. Und das hängt sich gegen Marktheidenfeld richtig rein. Auch das gehört zum größeren Projekt: Die Löwinnen und Löwen sollen eng kooperieren, unter anderem mit gemeinsamen Heimspieltagen. „In den letzten Wochen hatten wir auffällig viel mehr Anmeldungen von Mädchen, die jetzt auch mit Basketball anfangen wollen“, erzählt Gut am Spielfeldrand. Das Konzept geht wohl schon ein bisschen auf.
„Recht einzigartig“
An dem Projekt zum weiblichen Nachwuchs arbeiten die Löwinnen aber nicht allein, sondern in Kooperation mit dem BC Erfurt, dem USV Erfurt und den Gotha Rockets. Gemeinsam stellen sie zwei Frauen- und sechs Nachwuchsteams (U 10 bis U 19). Betreut werden diese von acht Coaches – darunter sieben Frauen. Das sei „recht einzigartig“, meint Anna Metzdorf. Sie trainiert die U-19-Mädchen, spielt selbst bei den Löwinnen mit, sogar als Kapitänin, und ist zudem Teammanagerin. „Und heute Topscorerin“, ruft jemand rein, als sich das Team nach dem Spiel nochmal in der Umkleidekabine versammelt. Headcoach bei den Löwinnen ist Yaqub Mohammad. Als einziger Mann im Raum tritt Mohammad eher zurückhaltend auf und lässt lieber das Team erzählen.
Metzdorf, die wie alle Spielerinnen sichtlich verausgabt von dem Spiel ist, zeigt sich zuversichtlich. Heute haben sie zwar mit 53:80 verloren, doch der Wille und das Potenzial seien da: „Wir sind vor drei Monaten erstmal nur mit dem Teamnamen an den Start gegangen. Ohne Spielerinnen, ohne Trainer. Wir haben sämtliche Spielerinnen in Thüringen angerufen.“
Nun seien sie eine bunte Truppe aus Jena, Weimar und Erfurt, von der 14-Jährigen bis zur Ü-40-Spielerin. „So langsam formt sich ein Team“, sagt sie. Und dieses habe eine wichtige Vorbildfunktion: „Wir versuchen, den weiblichen Bereich nach oben zu liften und möglichst viele Mädchen in Thüringen anzusprechen. Wir haben jetzt auch eine neue U-10-Löwinnen-Gruppe gebildet. Wir fangen wirklich ganz unten an und wollen das bis nach oben aufbauen.“
Während der Basketball vor der Wiedervereinigung in Ostdeutschland kaum existent war, weil zu DDR-Zeiten als nicht förderungswürdig eingestuft, genießt er in den letzten dreißig Jahren immer mehr Beliebtheit. Dennoch gibt es im Vergleich zum Westen wenige Vereine in den Profiligen, bei den Männern wie bei den Frauen.
Auflösungen von Teams
Bei letzteren gibt es außerhalb von Berlin noch ein Team in Halle, das in der Bundesliga spielt, sowie die ChemCats Chemnitz und seit dieser Saison – als einziges weibliches Profi-Team in Thüringen – die Vimodrom Baskets Jena in der 2. Bundesliga. Eine strukturierte Nachwuchsarbeit existiert in Thüringen und Sachsen im weiblichen Nachwuchs trotzdem nicht. In Jena spielen hauptsächlich Spielerinnen, die nicht aus der Region sind.
Bei Freizeitteams führt der geringe weibliche Nachwuchs immer wieder zu Auflösungen. Grund dafür seien, so die Löwinnen, auch oftmals fehlende Frauen in leitenden Positionen. Für manch eine talentierte Spielerin heißt das, dass die Möglichkeiten fehlen, sich weiterzuentwickeln. Im schlimmsten Fall hören sie dann auf.
An Frauen in leitenden Positionen mangelt es bei den Löwinnen indes nicht. Da sind zum Beispiel Kim Mauermann, Geschäftsführerin und Constanze Sakriß als Vereinsvorsitzende. Sowie Nora Kirschstein, die bei den Löwinnen dual Sportwissenschaften und Training studiert, mit Metzdorf die U 10 trainiert, sowie die Oberliga-Frauen und in den männlichen Leistungsteams im Trainerstab eingespannt ist.
Frauen in allen Positionen, so lautet die angestrebte Normalität. Das Ziel sei, so Metzdorf, möglichst alle Altersgruppen und Niveaus abzubilden, um vor Ort Talente zu finden und zu fördern. Das Regionalligateam soll als Sprungbrett zwischen Amateurliga und der Profiliga in Jena fungieren. Das erste Saisonziel für die Löwinnen lautet aber: Klassenerhalt. Das wird harte Arbeit. Der erste Sieg steht noch aus.
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