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Archiv-Artikel

„Basismobilisierung“

Niemand hat noch Einfluss auf die Demonstranten, meint der Thailand-Experte Wolfram Schaffar

Wolfram Schaffar

■ 41, hat bis Mai 2008 an Bangkoks renommierter Chulalongkorn-Universität Politikwissenschaft unterrichtet. Zurzeit ist der Thailand-Experte Dozent an der Universität Hildesheim.

taz: Woran ist der von Premier Abhisit vorgelegte Kompromissvorschlag vorgezogener Neuwahlen gescheitert?

Wolfram Schaffar: Er hat sich verrechnet mit dem Glauben, der entscheidende Akteur zu sein. Auch der im Exil lebende Ex-Premier Thaksin, das Idol vieler Rothemden, lenkt die Proteste nicht mehr. Stattdessen wird der Prozess inzwischen von einer Basismobilisierung getrieben, was die Annahme des Kompromissvorschlags unmöglich machte.

Wie groß ist der Druck auf Abhisit aus seinem eigenen Lager?

Es sieht so aus, dass in diesem Prozess der Spaltung alle eine große Umverteilung von Macht erwarten. Jetzt geht es für die Akteure darum, sich später auf der richtigen Seite derjenigen zu finden, welche die Fäden in der Hand halten werden. Das erklärt für mich die Kompromisslosigkeit über das aus dem Inhaltlichen erklärbare Maß hinaus.

Wie bewerten Sie die gezielten Schüsse auf General Khattiya, der vor Monaten zu den Rothemden übergelaufen war?

Die sind genauso zu bewerten wie die gezielten Schüsse am 10. April. Damals wurden ja nicht nur 21 Demonstranten getötet, sondern sondern auch fünf höherrangige Militärs – durch Schüsse, die aus den Reihen der Demonstranten kamen. Damals hatten sich wohl unter die Demonstranten professionelle Scharfschützen des Militärs gemischt. Das ist ein deutliches Zeichen für die tiefe Spaltung und einen Machtkampf des Militärs wie für die Eskalation durch militärische Machtgruppen.

Kontrolliert die Regierung überhaupt noch die Sicherheitskräfte?

Definitiv nicht. Es gibt in der Generalität „rote“ Generäle und unter den Soldaten direkte Verbindungen über die jeweiligen Mütter und Väter zu den Rothemden – durch alle Ränge. So entsteht Bürgerkrieg, und die Anfänge davon sehen wir.INTERVIEW: SVEN HANSEN