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Archiv-Artikel

Barry, lass‘ sie laufen!

Der Spanier Julio Rey und die Äthiopierin Robe Tola gewinnen den Hamburg-Marathon. Soweit die Erfolgsmeldungen. Für vier Engländer aber lief der Tag einfach schlecht – und das schon vor dem Start

Nachdem Rey im Ziel angekommen war, kniete er nieder und küsste den Asphalt

von Christian Görtzen

Große Nervosität hatte die vier Engländer ergriffen. Anthony tippelte von einer Fußspitze auf die andere, Barry und Richard liefen sich beinahe auf engstem Kreis über den Haufen, und Gordon blickte im Sekundentakt auf die Uhr. Nur noch 14 Minuten blieben den vier erprobten Freizeit-Marathonläufern aus Newcastle, bis um 9 Uhr der Startschuss beim Hamburg-Marathon fallen würde.

Sie hatten sich seit Wochen auf diesen Lauf gefreut, doch nun, kurz vor dem Start, sahen sie reichlich unglücklich aus. Das verwunderte nicht, schließlich waren sie nicht am Startpunkt Messehallen von tausenden Athleten umgeben, sondern standen in Sportlerhosen verloren auf dem drei Kilometer und mehrere Stationen entfernten S-Bahnhof Langenfelde. Drei Rentner sahen ihnen irritiert zu. Sechs Minuten Wartezeit, bis die S-Bahn kommen würde, elf Minuten Fahrt und dann ein fünfminütiger Lauf bis zum Startplatz ergaben eine stattliche Verspätung. Sie würden ihren Marathon lange nach dem letzten Läufer der Startgruppe beginnen, voraussichtlich unter dem Gelächter der Zuschauer.

“Wir sind um 7 Uhr aufgestanden, haben aber wohl etwas zu lange im Hotel gefrühstückt. Das war aber auch lecker. Und dann haben wir uns auch noch verlaufen. Da kommt so eine Verspätung schon mal zu Stande“, sagte Gordon. Tatsächlich war ihr Startblock längst leer, als sie um 9.14 Uhr ankamen. Die letzte Gruppe setzte sich gerade in Bewegung. Sofort reihten sich die Engländer ein.

Der strahlende Held des Tages, Julio Rey aus Spanien, legte zu diesem Zeitpunkt gerade die Basis für seinen großen Triumph. Lediglich der Kenianer Robert Cheboror und anfangs auch noch dessen Landsmann James Rotich waren dazu in der Lage gewesen, dem kleinen, hageren Iberer zu folgen.

Für Rey war der Hamburg-Marathon schon vor dem gestrigen Sonntag eine Erfolgsgeschichte: Bereits 2001, 2003 und 2005 hatte er ihn gewonnen. Im Vorfeld hatte Rey Großes angekündigt. Er glaube, dass der Gewinner 2006 den von ihm gehaltenen Streckenrekord (2:07:27/2003) brechen wird, sagte er.

Beim Lauf am Sonntag gab Rey alles. Zuerst musste Rotich abreißen lassen, bei Kilometer 38 konnte auch Cheboror den schnellen Schritten des 34 Jahre alten Iberers nicht mehr folgen. Die letzten Kilometer wurden für Rey zu einer Triumphtour. Bei 2:06:52 Stunden blieb im Ziel die Uhr für ihn stehen. Er hatte nicht nur den Marathon zum vierten Mal gewonnen, er hatte auch seinen Streckenrekord um 35 Sekunden verbessert und war als Erster in Hamburg unter 2:07 Stunden gelaufen.

Nachdem Julio Rey die Ziellinie überschritten hatte, kniete er nieder und küsste den Asphalt. „Bei Kilometer 30 ging es mir nicht so gut, da hatte ich heftige Magenschmerzen und befand mich in einer Krise“, sagte er. Die Unterstützung durch die annähernd 500.000 ZuschauerInnen an der Strecke hätte ihm aber wieder Mut gemacht. „Ich habe mich von der Stimmung tragen lassen und wusste: Wenn ich heute den Streckenrekord nicht breche, gelingt mir das nie mehr“, sagte Rey, der „ kleine König des Hamburg-Marathons“.

Bei den Frauen geriet die Entscheidung zu einem kleinen Drama. Die erst 21 Jahre alte Robe Tola aus Äthiopien konnte sich nur zur Hälfte über ihren Überraschungssieg freuen. Genau eine Sekunde fehlte ihr zur Verbesserung des Streckenrekords. Mit ihrer Zeit von 2:24:35 Stunden stellte sie den seit sieben Jahren bestehenden Rekord von Katrin Dörre-Heinig ein.

Freude gab es auch im deutschen Lager, obwohl die Aussichten darauf nach der Absage von Claudia Dreher nur gering gewesen waren. Ulrike Maisch (Rostock) gelang mit der Zeit von 2:31:53 Stunden die Qualifikation für die EM, die im August in Göteborg stattfinden wird.