Barrikaden im Nordkosovo: "Der Dialog geht bald weiter"
Der Chefunterhändler der serbischen Regierung in Belgrad, Borko Stefanovic, über die Bedingungen zur Rückkehr an den Verhandlungstisch.
taz: Herr Stefanovic, Sie haben den Dialog mit Prishtina abgebrochen, als kosovarische Zöllner an zwei Grenzposten im Nordkosovo eingesetzt wurden und Serben Barrikaden errichteten. Doch der weitere Dialog ist Voraussetzung dafür, dass Serbien im Dezember den EU-Kandidatenstatus erhält. Unter welchen Bedingungen verhandeln Sie weiter?
Borko Stefanovic: Wir haben die Gespräche auf Eis gelegt, als die KFOR auf Bürger im Kosovo schoss, die ein legitimes Recht hatten, Straßensperren aufzurichten. In der Situation konnten wir uns wirklich nicht über Telekommunikation oder andere technische Fragen unterhalten.
Ich erwarte aber, dass der Dialog in Kürze wieder aufgenommen wird. Wir reden mit den Vertretern der EU und USA über einen Kompromiss, der den Personen- und Warenverkehr an den umstrittenen Übergängen Jarinje und Brnjak regeln soll. Sobald sich eine Lösung abzeichnet, setzen wir den Dialog fort.
Die kosovarischen Zöllner können also doch an den Grenzübergängen bleiben?
Sie sind schon da. Unsere Aufgabe ist es, eine Lösung für diese Situation zu finden. Das von der Regierung in Pristina zu verantwortende Problem ist nicht nur, dass sie die Zöllner an die Übergänge brachte, sondern dass sie eine einseitige Lösung aufdrängte und sich nicht auf Verhandlungen einlassen wollte.
37, ist Politischer Direktor im serbischen Außenministerium und Belgrads Chefunterhändler bei den Gesprächen mit der kosovarischen Regierung in Prishtina.
Mit der Unterstützung der KFOR und der Eulex.
Ja. Aber nun müssen wir eine bessere Lösung finden. Unser Ziel ist es, die Besonderheit dieser zwei Übergänge zu bestätigen und zu erhalten. Der Norden des Kosovo hat längst seine Besonderheit bewiesen, dort lebt eine kompakte serbische Gemeinschaft. Sie erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an und will sich den kosovarischen Institutionen nicht unterstellen. Die Aufgabe des serbischen Staates ist es, die legitimen Interessen dieser Gemeinschaft zu unterstützen - im Rahmen friedlicher demokratischer Prozesse. Schwarzweiß-Lösungen sind nicht möglich.
Am vergangenen Donnerstag erklärten sich die politischen Führer der serbischen Gemeinden bereit, die Versorgung der internationalen Friedenstruppe KFOR an der Grenze zu Serbien zu ermöglichen. Die KFOR forderte jedoch "bedingungslose" Bewegungsfreiheit für die eigenen Truppen, für die EU-Mission Eulex, andere internationale Organisationen und alle Bürger des Landes.
Mit Gewalt könnte die KFOR in wenigen Stunden alle Barrikaden im Nordkosovo räumen. Doch einen Konflikt größeren Ausmaßes mit den lokalen Serben mit Toten und Verletzten wollte man bisher vermeiden. Die Lage dürfe nicht außer Kontrolle geraten. In Prishtina verliert man allerdings allmählich die Geduld. Die kosovarische Regierung plane "schon bald" Aktionen im Norden des Kosovo, sagte Innenminister Bajram Rexhepi. Die kosovarische Regierung hat keinen Zugang zum von Serben besiedelten Nordkosovo, in dem Belgrad serbische Parallelstrukturen aufrechterhält.
Für einige Staaten wie Deutschland ist der EU-Kandidatenstatus Serbiens auch mit der Bedingung verbunden, dass serbische Parallelstrukturen im Nordkosovo aufgelöst werden. Ist das für Serbien akzeptabel?
Natürlich ist das inakzeptabel.
Und wenn das auch gegen den Willen Serbiens geschieht?
Das könnte nur durch den Einsatz von Gewalt geschehen. Und wenn Sie etwas mit Gewalt aufdrängen wollen, ist das langfristig unhaltbar. Die Geschichte im Kosovo lehrt das. Auch die internationale Gemeinschaft weiß, dass man den Willen der Serben, die mehrheitlich in den Gemeinden im Nordkosovo leben, nicht einfach ignorieren kann.
Was soll man auch machen? Kosovarische Richter täglich mit Hubschraubern nach Mitrovica bringen, wie man es jetzt mit kosovarischen Zöllnern tut? Alle Machtstrukturen im Nordkosovo - der Exekutive wie der Judikative - sollen Staatsorgane der Republik Serbien oder der lokalen Serben sein, und darüber muss verhandelt werden.
Hat Belgrad überhaupt noch Einfluss auf politische Vertreter der Kosovo-Serben?
Das Volk dort hört darauf, was ihm sein Mutterland zu sagen hat. Einige politische Serbenführer im Kosovo haben jedoch offenbar den Realitätssinn verloren und stellen weltfremde Bedingungen.
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