: Barre fordert Wahlrechtsänderung
Ehemaliger französischer Ministerpräsident will Absprachen zwischen Rechtsparteien und Nationaler Front unterbinden ■ Aus Paris Beate Seel
Der ehemalige französische Premierminister Raymond Barre möchte der rechtsradikalen Nationalen Front (FN) mit einer Wahlrechtsänderung zu Leibe rücken. Mit einer am Montag eingebrachten Gesetzesvorlage will Barre künftig verhindern, daß es bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 1989 zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang in Orten mit mehr als 3.500 Einwohnern zur Fusion von Listen kommt. „Dieser Gesetzesvorschlag ist meine Antwort auf Jean-Marie Le Pen“, hieß es in einem Kommunique des Oppositionspolitikers.
Derzeit ist es üblich, daß die Parteien der Rechten oder Linken zwischen den beiden Wahlgängen Absprachen treffen und den Kandidaten, der in der ersten Runde die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte, erneut ins Rennen schicken, falls keiner der Bewerber die absolute Mehrheit erreicht hat. Die im Hinblick auf die Kommunalwahlen im Frühjahr schwelende Debatte um Absprachen zwischen Rechtsparteien und der FN hatte in den letzten Tagen neuen Auftrieb erhalten, nachdem FN-Führer Le Pen den Minister für öffentliche Angelegenheiten, Michel Durafour, als „Durafour-crematoire“ bezeichnet hat, zu deutsch: Verbrennungsofen. Die Politiker des Rechtsbündnisses UDF und der gaullistischen RPR lehnen zwar Bündnisse mit der FN auf nationaler Ebene ab, sind aber durchaus bereit, lokale Absprachen zu tolerieren. Diese werden nicht müde zu betonen, daß es ohne sie keine rechten Mehrheiten mehr geben werde. Die FN hatte beim ersten Wahlgang zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr fast 15 Prozent der Stimmen erhalten.
Barres Vorschlag, dem politischen Problem des Rechtsradikalismus und der zweideutigen Haltung der Rechtsparteien zur FN mit juristischen Methoden zu Leibe zu rücken, hätte allerdings auch Folgen für die Linke. In zahlreichen Kommunen gehen die Uhren noch nach der Zeit der Linksunion zwischen Sozialisten und Kommunisten, die von einer Änderung des Wahlrechts nicht weniger betroffen wären als die FN. Barre und seinen Freunden von der Zentristenpartei CDS, die den Vorschlag ursprünglich in die Debatte geworfen hatte, könnte das nur Recht sein. Der Regierung aber kommt die Gesetzesinitiative daher ungelegen.
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