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Baron Cohen als "Brüno" im KinoBaby liebt brennenden Phosphor

Unermüdlich schwingt die Hüfte: In der großen Komödie "Brüno" gibt Sacha Baron Cohen eine prototypische Tunte - und testet so die Grenzen der Political Correctness.

Rasiert, blondiert und mit abgeknicktem Handgelenk: Baron Cohen als Tunte Brüno. Bild: ap

Wenn am Donnerstag "Brüno" anläuft, wird sich wieder eine gesamte Nation verspottet fühlen, werden Mitglieder einer diskriminierten Volksgruppe alarmiert aufschreien, und es wird Klagen hageln - angestrengt von empörten Akteuren des Films, die zwar, bevor das rote Lämpchen anging, irgendwo ihre Unterschrift geleistet haben müssen, aber erst dann merkten, was eigentlich gespielt wird.

Es wird also alles wieder genauso sein wie vor drei Jahren bei "Borat". Nur dass es diesmal eben nicht Kasachstan und die Juden sind, die Sturm gegen diesen "Dokumentarfilm" laufen, sondern die Republik Österreich, die Schwulen und all jene Menschen, die sich vor Sacha Baron Cohens Kamera selbst als Dumme, als Rassisten und als eitle Fatzkes enttarnen. Baron Cohens ausgeklügelte Konversations- und Interaktionstechnik, in der sich - zum Nachteil der Beteiligten - gespielte Naivität, jederzeitige bedingungslose Affirmation des vom Gegenüber Gesagten und dreiste Provokationen aufs Unheilvollste verbinden, funktioniert nach wie vor perfekt.

Um es kurz zu machen: "Brüno" ist ein grandioser Film, der beste Beitrag zum Genre der Ablachkomödie, den man in diesem Jahr zu sehen bekommen wird. Sacha Baron Cohen hat sich voll rasiert und blondiert, er gibt einen österreichischen Modejournalisten namens Brüno. Der ist Moderator der Fernsehsendung "Funkyzeit" und eine in jeder Hinsicht prototypische Tunte. Vom abgeknickten Handgelenk bis zum hysterischen Lachkrampf hat Baron Cohen die komplette schwule Folklore drauf und durchkreuzt mit unermüdlichem Hüftschwung das Minenfeld der Männlichkeit beziehungsweise der Homophobie.

Ob es Zufall oder Rache ist, dass Baron Cohen, ein gläubiger Jude, seine Figur ausgerechnet aus Österreich stammen lässt, dem Heimatland Adolf Hitlers, das seine Beteiligung an den Naziverbrechen gern unter den Teppich kehrt, mag an anderer Stelle erörtert werden. Wichtig ist vorerst: Brüno ist eine wandelnde Provokation, eine permanente Einladung zum Gay-Bashing.

Wieder bettet Baron Cohen dokumentarische Szenen in eine fiktive Erzählung: Bei einem Dreh für "Funkyzeit" sorgt Brüno hinter den Kulissen einer Modenschau mit einem klettbesetzten Anzug für großes Chaos, sein Sender setzt ihn deswegen vor die Tür. Brüno ist mit seinem Leben im Scheinwerferlicht aber noch lange nicht fertig. Er fasst also den Plan: "Isch want to become ze biggest gay film star since Arnold Schwarzenegger!", beziehungsweise: "Isch was going to be ze biggest Austrian star since Hitler!"

Die Filmkarriere klappt indes nicht auf Anhieb, deswegen versucht Brüno auf verschiedenen anderen Wegen, berühmt zu werden. Es sind genau dieselben Wege, die auch von Prominenten der A-, B- und C-Liga gewählt werden, um ins Gespräch zu kommen oder im Gespräch zu bleiben: Besuche in Talkshows, soziales Engagement in Afrika (beziehungsweise im jeweils aktuell "heißesten" Krisenherd der Welt), Adoption eines verhungernden Kindes und so weiter.

Schon in "Borat" sah es so aus, als hätten einige der Situationen und Gegenüberstellungen, die Baron Cohen für seinen Film anzettelte, kurz vor der Eskalation gestanden. In "Brüno" muss der Komiker nun - während er die Stationen seines Films Israel, Beirut, Afrika und Hollywood abklappert - tatsächlich mehrmals die Beine in die Hand nehmen, um nicht von Zionisten oder verklemmten Rednecks verprügelt zu werden. Aufgrund des Wagemuts, den Baron Cohen hier augenscheinlich beweist, muss man "Brüno" noch nicht gut finden.

Was den Film so gelungen macht, ist, dass es Baron Cohen gelingt, sich durch all diese Sequenzen zu manövrieren, ohne sich der jeweils einen oder anderen Seite zum Verbündeten zu machen - weder den Israelis noch den Palästinensern, die er in Person eines Mossad-Agenten und eines palästinensischen Akademikers tatsächlich an einen Tisch holt; weder den Schwulen noch den Schwulenhassern, die er bei einem Wrestling-Match aufeinanderprallen lässt.

Im Gegenteil, mit "Brüno" wird deutlich, was "Ali G." und "Borat" schon andeuteten: dass es Sacha Baron Cohen im Grunde nicht um konkrete Themen wie HipHop-Misogynie oder die kollektive Überlegenheitsneurose Amerikas geht, sondern dass überzeichnete Stereotype für ihn immer nur ein Mittel zum Zweck sind, um die heute gültige Parole der Political Correctness auf ihre Belastbarkeit zu testen.

Beispielhaft in dieser Hinsicht ist eine Szene, in der es zunächst danach aussieht, als solle ein homophober Mann vorgeführt werden. Ist aber ein heterosexueller Sexsuchender, dem bei einer Swingerparty der Kragen platzt, weil ihn ein offensichtlich Schwuler andauernd in ein Gespräch verwickeln will und ihm penetrant in den Schritt stiert, tatsächlich schon ein homophobes Schwein? Auf einer schwulen Sexparty wären spannende Heteros auch nicht unbedingt willkommen.

Wo genau liegt hier der Witz? In einer kleinen Nuance: Es wäre unwahrscheinlich, dass Schwule in derselben Situation gleich aggressiv loskollern würden: "Ich bin doch nicht für irgendwelche Heteroscheiße hierher gekommen!" Im Provozieren genau solcher Eruptionen ist Baron Cohen Meister: Momente, in denen bei ganz normalen Mainstream-Amerikanern die Ressentiments aufbrechen, die sonst von politischer Korrektheit überdeckt werden.

Unglaublich auch die Szenen, die bei einem Kindercasting gedreht wurden: Brüno sucht ein fotogenes Kleinkind, Eltern preisen ihren leiblichen Nachwuchs an. Frage des Castingdirektors an eine Mutter, die auf eine Zeitungsannonce geantwortet haben muss: "Dürfen wir Ihr Kind als Nazi-Offizier verkleiden?" Antwort: "Klar, warum nicht?" Frage des Castingdirektors: "Wie kommt Ihr Baby mit brennendem Phosphor zurecht?" Antwort: "Mein Baby liebt brennenden Phosphor!"

Nicht zuletzt sind Sacha Baron Cohens Filme immer auch Filme über die Macht der Kamera. Genau wie die Eltern, die ihre Kinder groß rausbringen wollen, bleiben auch die anderen Akteure, die man als Opfer von Baron Cohens Kalkül, genauso aber auch als Selbstdarsteller und Profiteure seines Films bezeichnen könnte, um einiges länger in ihrer Szene, als sie es würden, wenn gerade keine Linse auf sie gerichtet wäre. Das im roten Lämpchen verborgene Versprechen auf Medienpräsenz, Berühmtheit, Unsterblichkeit, Reichtum und all die anderen schönen Dinge führte schon in "Ali G." und "Borat" zu einer Duldungsstarre der Beteiligten, wenn nicht zum völligen Ausschalten ihrer Gehirne. Genauso ist es nun auch wieder in "Brüno".

"Brüno". Regie: Larry Charles. Mit Sacha Baron Cohen, Gustaf Hammarstein, USA 2009, 83 Min.

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7 Kommentare

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  • SG
    Sven Gregor

    @DiversityAndEquality

    Ich kann dem nur zustimmen! Und es hört in den Schulhöfen noch lange nicht auf, es geht selbst in der Universität weiter. In einer Elektrotechnik Vorlesung z.B. war zunächst der Prof eine "schwule Sau", 2 Minuten später die "Totalschwuchtel". Die Hausaufgaben waren "extremst schwul" pflichtete der Kommilitone bei, als gerade wieder ein andere bemerkte, was für eine "schwule Handbewegung" der Prof macht. Zur Abrundung sagte der fünfte im Bande noch, wie "total gay" er diesen Prof findet, weil er so nasal spricht.

     

    Jetzt stelle ich mir vor, wie diese Clique im Kino sitzt und Brüno anschaut. Ob diese Herren wohl nach der Vorstellung sich sagen: "Oh, wir sagen ab sofort nicht mehr schwul statt ekelhaft!", oder "Oh, Schwule sind ganz normale Menschen, die unerkannt durch die Gesellschaft wandeln können!". Ich befürchte nicht.

  • EP
    Earl Patterson

    "Wenn die nächsten jungen Männer, die homosexuell empfinden, sich das Leben nehmen..., dann hat dieses widerwärtige Machwerk seinen gehörigen Anteil daran!"

     

    Uff, starker Tobak. Sicher mag es sein, dass einige männliche Zuschauer bildungsferner Schichten ihre Klischees bestätigt sehen werden. Aber sei's drum - wer diese Art von krasser Zuspitzung/Übertreibung als Bestätigung seiner lächerlichen Vorurteile versteht, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Und ich bezweifle, dass diese Art von Kinobesucher den Großteil des Publikums stellen werden. Aber das ist Ansichtssache.

    Ich werde mir den Film mit einem homosexuellen Bekannten anschauen, der zwischen tatsächlicher Homosexualität und dieser übertriebenen Darstellung von Cohen deutlicher differenzieren kann.

  • L
    Loren

    Dass man Cohens Film auch anders beurteilen kann, zeigt Uwe Mies im Kölner Stadtanzeiger:

    "Wenn Satire alles darf, dann ist diese "Derber ist

    besser"-Strategie zweifellos ein Hochpunkt zeitge-

    nössischen Schelmentums. Schade, dass er so selten

    über den Rand der Klobrille hinausreicht."

     

    Mit welchen Augen junge Schwule, die gerade kurz vor

    dem Coming Out stehen, diesen Film sehen werden, der

    bei Gleichaltrigen genau die widerlichen homophoben

    Instinkte (?) weckt, die junge Schwule so oft

    in den Suizid treiben?

  • D
    DiversityAndEquality

    Das einzige, was ich aus dieser wiederholten Beschönigung und Rechtfertigung für die Propagandierung der dümmsten Klischees und Vorurteile gegenüber schwulen Männern herauslese - und zwar in Zeiten gerade unter jungen Männern drastisch zunehmender Schwulenfeindlichkeit - ist folgendes:

     

    Nämlich dass die heteronormative Gesellschaft sich ihr vermeintliches "Recht" darauf nicht nehmen lassen will, sich über schwule Männer lustig zu machen, sie also wenigstens massenmedial mal wieder behandeln zu dürfen wie den letzten Dreck! Ich sage dazu: Jeder schwule Junge oder Mann, der nur einen Funken Selbstbewusstsein und Selbstachtung besitzt, wird sich diese widerliche Inszenierung der dümmsten Stereotypen und Klischees nicht bieten lassen!

     

    Denn sie wird im Ergebnis neben der Erheiterung der angeblich so gebildeten breiten Masse, die das natürlich nur anschaut, um sich über Homophobie lustig zu machen (und auch das wäre ein alles andere als angemessener Umgang mit diesem ernsthaften Problem!), NUR EINES bewirken: Dass gerade junge Menschen in eben den propagierten Vorurteilen und Klischees bestätigt werden und die ohnehin massiv zunehmende Schwulenfeindlichkeit, mindestens aber die Stigmatisierung von Homosexualität, in der betreffenden Altersgruppe noch weiter befördert wird!

     

    Wenn die nächsten jungen Männer, die homosexuell empfinden, sich das Leben nehmen, wenn die nächsten homophoben Gewaltakte in den Klassenzimmern und Schulhöfen, in den Sportvereinen oder in den Straßen stattfinden, wenn weiterhin im Minutentakt schwulenfeindliche Pöbeleien unter Jugendlichen zum "guten Ton" gehören, dann hat dieses widerwärtige Machwerk seinen gehörigen Anteil daran!

     

    Mit ihrer mehrfachen Ignoranz gegenüber diesem gesellschaftlichen Kontext macht die @taz vor allem eines deutlich: Wenn es darum geht, "Schwuchteln" offiziell und auf dem Papier gleiche Rechte zu gewähren, da schmücken sich viele Heteros z.B. von der @taz gern mit dem Label "liberal" und "tolerant", aber wenn es darum geht, sich über "Schwuchteln" lustig machen und Homosexualität weiterhin aggressiv stigmatisieren zu "dürfen", da ist es mit der Pseudo-Liberalität und -Fortschrittlichkeit ganz schnell vorbei! Und das finde ich als selbst Betroffener einfach nur skandalös!

  • BG
    Boris Gross

    ich werde mir diesen Film nicht ansehen, der ist wahrscheinlich genauso blöd wie Borat und der war auch überhaupt nicht Witzig.

    Ich habe mich richtig geärgert das ich dafür auch noch bezahlt habe.

  • FE
    Franz Ellinghorst

    @TheOrbitter: Ich glaube Du hast nicht verstanden, worum es geht.

     

    Zum Artikel: Haben wir den gleichen Film gesehen?! Ich teile die Einschätzung, dass der Film in seiner Form grandios und provokant ist, aber Brüno legt sich doch nicht mit den politisch Korrekten an, sondern mit oberflächlichen Promis (Diese Charity-Zwillinge, die American Idol-Jurorin), (fundamentalistische) Christen aus der Ex-Gay-Bewegung, Konservative Schwulenhasser wie Ron Paul und allerlei Redneck-Fussvolk, für die ein schwuler Kuss zu fassungslosen Tränen des Entsetzen rührt (die beste Szene im Film!).

    Wo um alles in der Welt schießt Brüno denn gegen Political Correctness?! Er schießt gegen Homophobie, Diskriminierung und Bigotterie.

     

    Aber das wäre ja langweilig, da unterstellt man lieber, jetzt würden sich "Die Schwulen" und Österreich aufregen, weil sie ja selber so unterschwellig rassistisch usw. seien. Wieso überhaupt rassistisch? Das spielt in dem Film kaum eine Rolle bis auf ein paar Anspielungen zu Brünos "Adoptivkind", welches lediglich ein Symbol für Oberflächlichkeit ist.

     

    Es ist sehr kurz gedacht zu denken, weil Brüno so gnadenlos mit schwulen Klischees überzeichnet ist, ist er ein Affront gegen die Schwulenwelt. Er ist ein Affront gegen die Leute die denken, Schwule "seien so", weil sie über die plumpen Analsex-Witzchen der Bully Herbig-Filme so herzlich gelacht haben. Aber die verstehen es eh nicht, offenbar.

     

    Wieder mal so ein Taz-Artikel, der krampfhaft gegen die eigenen Leute wettern will und dabei scheitert. Versuchen sie es doch mal bei der Jungen Freiheit...

  • JK
    Jakob Kaiser

    Der Hinweis sei gestattet: Bei Mr. Cohen handelt es sich beim Namensbestandteil "Baron" um einen Vornamen. Er gehört dem englischen Adel nicht an. Dennoch exzellentes Marketing, dass auch die taz fasziniert.

     

    Freiherr von und zu Guttenberg hat auch viele Vornamen, ist hingegen ein veritabler "Baron", eine romanische Bezeichnung, die im deutschen Kulturraum nur als Höflichkeitsformel verwandt wird (ähnlich wie Comtesse für eine unverheiratete Gräfin).

     

    Als einst reichsunmittelbare Reichsfreiherren waren die Guttenbergs sogar souveräne Territorialherren. Damit ist ihr Titel - heute bürgerlicher Name - ganz klar der englischen Entsprechung Baron zuzuordnen und nicht dem Baronett.

     

    Mahlzeit!