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Barmann Roberto,

du wirst der taz sehr fehlen  ■  Aus Terracina Werner Raith

Roberto Fornari: der Name sagt dem taz-Leser vermutlich wenig.

Und doch verdankt die taz Roberto ziemlich viel: eine ganze Reihe wichtiger Artikel aus Italien wäre ohne ihn nicht oder nicht so zustandegekommen. Denn Roberto war „unser“ Mann an der Espresso-Bar an der Ecke, Via Badino, am Supermarkt Expo. Barmänner sind in Italien so etwas wie früher in Deutschland Friseure oder Bader, die Drehscheibe für alle wichtigen Informationen aus dem Umland, ausgestattet meist mit einer ausgezeichneten Beobachtungs- und oft auch einer hervorragenden Kombinationsgabe.

Doch Roberto war ein ganz besonderer Barmann. Die mittlerweile schon recht zahlreichen Besucher, die den taz -Korrespondenten in Terracina auf- und mitunter auch heimgesucht haben, kannten Roberto als „den von der Bar Expo“, oder „den mit der spitzen Nase“, vor allem aber als „den da, der immer so lieb lacht“: sein „mollllllto bene“ bei gleichwelcher Bestellung strömte ein Gefühl des Leben -lassens-wie-man-will aus, das nur ein mit sich ganz und gar im Einklang stehender Mensch verbreiten kann. Die Sonne ging in der Bar Expo sozusagen niemals unter - speziell seit Roberto und seine Frau Anna vor vier Jahren, „nach einem Jahrzehnt Werkelei“, doch noch den ersehnten Nachwuchs bekamen, einen Jungen, der selbstverständlich Cesare getauft wurde und der alsbald die Familie beherrschte.

Da nur wenige Tage auseinander geboren und beide eher dem Quer- als dem Schnurgeradegedenken zugeneigt, hatten wir uns vorgenommen, statt des 50.Geburtstags nächstes Jahr lieber den 49. heuer gemeinsam feste zu feiern. Daraus wird nun nichts: Roberto ist vor wenigen Tagen gestorben, Herzinfarkt nach einem aufreibenden Bartag.

Die taz - und, wie sich herausstellte, die ganze BRD verdankt Roberto die ersten Hinweise auf die Morde der deutschen SS an italienischen Soldaten nach dem Kriegsaustritt Italiens 1943 in Polen: die von der 'Prawda‘ verbreitete Historiker-Erkenntnis war in der BRD von den Agenturen, wie von der Presse ohne Ausnahme (und in Italien, aus EG-Räson, ebenfalls großenteils) zunächst totgeschwiegen worden; Roberto verschaffte uns Zeugen aus der damaligen Zeit, der Fall wirbelte dann auch hierzulande endlich den gebotenen Staub auf. Terracina, seine Geburtsstadt, verdankt ihrem Roberto, daß die taz Gerhard Polts Verfälschungen der Realität in seinem Film Man spricht deutsh - ich in Terracina klären und den schon begonnenen Kollaps des Tourismus - faktisch einzige Einkommensquelle der Bürger gerade noch abfangen konnte. Mit prophetischer Gabe hat er, in allen dreizehn Fällen seit unserer Bekanntschaft, den jeweils „kommenden“ Ministerpräsidenten fehlerfrei vorausgesagt. Und Roberto war es auch, der die taz in Dutzenden von Fällen vor bösen Reinfällen bewahrte, wenn bei Ereignissen im Land die Interpretationen allzusehr auf der Hand zu liegen schienen (und daher so ins Ausland gemeldet wurden) - und sich nachher als falsch erwiesen. „Ich wäre da vorsichtig“, war sein immer richtiger Ratschlag, wenn etwas einen leichten, für sonst noch kaum jemand wahrnehmbaren Hautgout ausströmte. Sein letztes Zitat in der taz stammte vom Generalstreik im Mai, den die Gewerkschaften als „Wiedergenesung der Arbeiterbewegung“ hochgejubelt hatten: „Von wegen. Nachdem Millionen wie ich, weil sie keine andere Arbeit finden, im Selbständigsein die einzige Überlebenschance haben, rufen die zum Generalstreik. Gegen wen soll ich denn streiken? Gegen mich selbst?“

Kollegen von 'Il Manifesto‘, 'Paese sera‘ und 'La Repubblica‘ wundern sich anläßlich gelegentlicher Treffen, wie man denn von Terracina aus, Provinznest mit nicht einmal 40.000 Einwohnern und hundert Kilometer von Rom entfernt, Korrespondenz betreiben könne. Meine Antwort lautete immer gleich - erstens möchte ich für die taz nicht aus dem „Palazzo“, dem Machtkartell oder dem Vatikan berichten, sondern davon, was die Arbeiter im Zug von Neapel nach Rom, die Bauern im verlorenen Hinterland, die Frauen im verlassenen Süden vom Leben und von der Politik halten, und zweitens - kommt doch mal nach Terracina und redet mit Typen wie Roberto und nicht nur mit irgendwelchen Staatssekretären, Parteichefs oder Prälaten.

Die Kollegen, die dem Rat folgten und - „bloß mal gucken“ hierher kamen, sind ständige Gäste der Bar Expo geworden.

Roberto wird ihnen, genauso wie der taz, sehr fehlen. Und mir als Freund - und als ein Stück Italien, bei dem man eigentlich gar nie dachte, daß es jemals sterben könnte.

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