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Barbara Dribbusch über höhere PflegebeiträgeLob für den CDU-Minister

Wer sich schnell viel Feinde machen will im Leben, der braucht nur den Job des Gesundheitsministers anzunehmen. Schon wird aus allen Ecken zuverlässig auf ihn eingedroschen: PatientInnen, ÄrztInnen, Krankenkassen, Arbeitgeber, Beschäftigte mitsamt den dazugehörigen Verbänden aus der Gesundheitsbranche – allen ist klar: Die Politik ist schuld!

So etwas ist politische Regression. Denn in der Verantwortung steht nicht der Gesundheitsminister allein, sondern auch wir, die Beitragszahler. Wir finanzieren die Pflegeversicherung, die Pflegekräfte, die Versorgung von Gebrechlichen. In der Pflege entscheidet sich, inwieweit sich die Mittelschicht an Solidarsystemen beteiligen will oder nicht.

CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn hat jetzt angekündigt, dass der Pflegeversicherungsbeitrag erneut steigen soll, obwohl dies zuvor nicht geplant war. Dafür gebührt ihm Lob. Demnächst werden 0,3 Prozentpunkte mehr vom Bruttoeinkommen fällig, hälftig zu tragen vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das macht bei einem Bruttoeinkommen von 3.000 Euro im Monat 4,50 Euro mehr an Abgaben für die Pflege. Sofort werfen Kommentatoren in den sozialen Medien dem Minister vor, dem Arbeitnehmer mal wieder „in die Taschen zu greifen“.

Das sagen womöglich Leute, die im Urlaub locker 100 Euro am Tag ausgeben für ein Hotelzimmer mit Frühstück und Vollpension – sich aber nicht fragen, warum die Rundum-Pflege eines Menschen, der es nicht mehr alleine zum Klo schafft und vergessen hat, wie man isst, samt Zimmerkosten und Verpflegung menschenwürdig kaum zum gleichen Preis zu haben sein kann.

Die Wahrheit lautet: Menschenwürdige Pflege ist die teuerste Dienstleistung, die es gibt. Stehen wir dazu und sichern das kollektiv und mit höheren Beiträgen ab – oder halten wir Gebrechlichkeit und Demenz für Schicksal und hoffen einfach, dass es uns nicht trifft? Diese ethische Frage ist nicht beantwortet. In Wahrheit ist sie noch nicht einmal ehrlich gestellt.

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