Bandenkrieg in Ecuador: „Es wird blutig werden“

Ecuadors Militär mobilisiert für einen Krieg gegen bewaffnete Drogenbanden. Menschenrechtsorganisationen warnen vor Folgen für die Zivilbevölkerung.

Männer, mit verhüllten Gesichtern, stehen vor einer Eigangstür mit Waffen

Beamte der Strafverfolgungsbehörden führen einen Einsatz in Ibarra, Ecuador, durch. Video- Ausschnitt vom 10. Januar 2024

BERLIN taz | In Ecuador bereitet sich das Militär auf eine Art Krieg gegen die kriminellen Banden vor. „Mit der Anerkennung der Lage als bewaffneter, nichtinternationaler Konflikt sind die Streitkräfte berechtigt, tödliche Waffen einzusetzen. Das ist eine Veränderung der Einsatzregeln“, erklärte Jaime Vela, Chef des gemeinsamen Oberkommandos der ecuadorianischen Streitkräfte, am Mittwoch.

Das Militär werde so nicht gegen normale Kriminelle vorgehen, stellte er klar, aber gegen alle 22 Organisationen, die im entsprechenden Dekret des Präsidenten als terroristische Organisationen eingestuft würden.

Präsident Daniel Noboa hatte bereits am Montag angesichts gleichzeitiger organisierter Aufstände und Geiselnahmen in mehreren Gefängnissen des Landes, die auch zur Flucht des berüchtigten Drogenbosses Adolfo Macías alias „Fito“ führten, für zwei Monate den Ausnahmezustand ausgerufen.

Nur einen Tag später stürmten am Dienstag Bewaffnete vor laufender Kamera ein Fernsehstudio in der Hafenstadt Guayaquil. Verschiedene andere Einrichtungen wurden überfallen, Polizisten entführt und über 100 Gefängniswärter als Geiseln genommen. Daraufhin rief Noboa mit dem „Dekret 111“ den bewaffneten internen Konflikt aus. Am Mittwochabend sprach Ecuadors Parlament dem Präsidenten einstimmig die Unterstützung für das Dekret aus.

Die Zeiten ängstlicher Regierungen sind vorbei

In einem Fernsehinterview versuchte Noboa Stärke auszustrahlen: Das Land durchlaufe schwere Momente, aber seine Regierung stünde fest und entschlossen da und werde die Bürger beschützen. Die Zeiten ängstlicher Regierungen seien vorbei, so Noboa, der erst im November vergangenen Jahres als jüngster Präsident in Ecuadors Geschichte sein Amt angetreten hatte.

In Fernsehinterviews erklärte Noboa, auch Beamte, Richter, Polizisten und Soldaten, die mit den Banden zusammenarbeiteten, würden als Teil terroristischer Netzwerke angesehen und entsprechend behandelt.

Ende vergangenen Jahres waren bei landesweiten Razzien gegen das organisierte Verbrechen über zwei Dutzend Verdächtige festgenommen worden, darunter Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Beamte des Strafvollzugs. „Die Ermittlungen zeigen, wie der Drogenhandel in die staatlichen Institutionen vorgedrungen ist“, sagte Generalstaatsanwältin Diana Salazar damals.

Ecuadors stellvertretender Innenminister Estaban Torres Cobo prophezeite, der Krieg gegen die Banden werde viele Tote und Opfer hervorbringen: „Es wird blutig werden, aber das ist die Veränderung, die wir brauchen, um eine bessere Zukunft zu haben. Wir können diese Entscheidung nicht immer weiter verschieben, wir müssen sie jetzt treffen“, sagte Cobo gegenüber dem britischen Nachrichtensender BBC. Einige Bandenführer, sagte er, verlangten Verhandlungen, aber „die Regierung wird mit niemandem verhandeln“.

Von Menschenrechtsorganisationen kommt Kritik

Kritik an Noboas Vorgehen kam hingegen von der Alianza de Derechos Humanos, einem Zusammenschluss ecuadorianischer Menschenrechtsorganisationen. Die Ausrufung eines „internen bewaffneten Konflikts“ erhöhe die Risiken für die Zivilbevölkerung und biete ihr kaum Schutz vor Gewaltexzessen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses.

Der Staat erkläre auf diese Weise die kriminellen Banden zu bewaffneten Kämpfern, zu Gegnern in einem Krieg – aber dieser Feind lebe in den gleichen Vierteln wie die Zivilbevölkerung und sei nicht ohne Weiteres zu identifizieren. Dadurch würden alle Bürger dem Risiko ausgesetzt, ins Kreuzfeuer zu geraten oder ermordet zu werden.

Inzwischen, so erklärte das Militär am Mittwoch, seien 329 Personen festgenommen worden, einschließlich jener 13 Angreifer aus dem Fernsehstudio. Ihnen werde wegen Terrorismus der Prozess gemacht. Fünf Terroristen seien getötet und 61 Waffen sowie 28 Granaten sichergestellt worden. 41 Geiseln seien befreit und 28 entflohene Häftlinge wieder eingefangen worden.

Ecuador, zwischen den beiden großen kokainproduzierenden Ländern Kolumbien und Peru gelegen, gilt als der Haupt­umschlagplatz für Kokain-Lieferungen nach Europa.

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