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Balkanländer treten Schengen beiZum Kaffeetrinken nach Europa

Seit Samstag dürfen die Bürger Serbiens, Mazedoniens und Montenegros visafrei in die Schengen-Staaten reisen. Damit wird für viele Menschen ein Traum wahr.

Mazedoniens Premierminister Nikola Gruevski (m) wird bei einer Feier zur Visafreiheit von einem Bürger herzlich umarmt. Bild: reuters

Seit Tagen schneit es in Serbien. Die Temperatur sinkt auf bis zu minus zwölf Grad. Der serbische Automobilverband empfiehlt Autofahrern, ohne besonderen Grund nicht zu verreisen. "Das gilt nicht für mich, nicht heute", sagt Aleksandar Todoroviç lächelnd und schaltet das Radio leise. Er fährt langsam.

Seinen alten Fiat Zastava 101 aus der serbischen Autofabrik Zastava hat er für diese kurze Reise an diesem besonderen Tag aufgemöbelt: Die Winterreifen sind neu, das Öl gewechselt und das Auto gründlich gewaschen. Aleksandar hat eine internationale Autoversicherung, einen internationalen Führerschein und den neuen serbischen biometrischen Reisepass besorgt. Heute, am 19. Dezember 2009 und damit dem Tag, an dem die Bürger Serbiens visafrei in die Schengen-Staaten reisen können, ist er startbereit.

"Europa, ich komme", sagt Aleksandar und lacht. Europa ist in diesem Fall die Stadt Szeged in Ungarn. Dort will Aleksandar einen Kaffee trinken, eine ungarische Salami kaufen und dann wieder die 250 Kilometer zurück nach Belgrad fahren. Ohne besonderen Anlass - einfach so.

Für den gelernten Friseur reicht das Geld momentan nicht für mehr, doch "dieses Gefühl der Freiheit" habe keinen Preis. Allein ein Schengen-Visum, für das man bisher eine erniedrigende Prozedur über sich ergehen lassen musste, kostete mehr, als Benzin und Maut bis Ungarn.

Gane, wie ihn seine Freunde nennen, grinst während der ganzen Fahrt. Für ihn geht an diesem Samstag ein Traum in Erfüllung: Sich einfach ins Auto zu setzen und in einen EU-Staat zu fahren. Rund 70 Prozent der jungen Serben waren nie im Ausland.

Gut gelaunt hört sich Gane die Nachrichten im Radio an. Man feiert einen "historischen Tag". Menschen, die sich über die neue Freiheit freuen, melden sich zu Wort. "Serben, willkommen in Europa" titelte am Samstag die Belgrader Tageszeitung Vecernje novosti. Eine Minute nach Mitternacht erleuchtete ein Feuerwerk die serbische Hauptstadt. Mit einer Gruppe von fünfzig Serben, die nie in Europa waren, flog Serbiens Vizepremier, Bozidar Djeliç, von Belgrad nach Brüssel, wo sie von Funktionären des EU-Vorsitzenden Schweden und Erweiterungskommissar Oli Rehn empfangen wurden.

Serbiens Außenminister Vuk Jeremiç überquerte als erster serbischer Staatsbürger die Grenze zu Ungarn am Grenzübergang Horgos. "Das funktioniert also", sagte er lakonisch. Nie war die EU so konkret spürbar in Serbien.

Vor Horgos wirkt Gane doch ein wenig nervös. Seit er denken kann, hat er auf diesen Augenblick gewartet. "Was, wenn die Ungarn doch noch ein Papier verlangen", fragt er. Als er sieht, wie einige junge Menschen aus einem Auto mit Belgrader Kennzeichen steigen und zu Fuß lachend mit hoch erhobenen biometrischen, roten serbischen Pässen die Grenze passieren, entspannt sich Gane wieder. Wenige Minuten später ist er in der EU.

Serbische TV-Sender zeigten Szenen von glücklichen Menschen auch von Grenzübergängen nach Bulgarien und Rumänien. Ähnlich war es in Montenegro und Mazedonien, für deren Staatsbürger die Visapflicht für Schengen-Staaten ebenfalls aufgehoben wurde. Ab dem 1. Januar öffnet sich Serbien erstmals für Billigfluglinien. Selbst die größten EU-Kritiker in Serbien sind verstummt. Nach fast zwei Jahrzehnten und unzähligen Phrasen scheint Europa für die Bürger Serbiens greifbar nahe zu sein. Am Dienstag will Belgrad offiziell einen Antrag auf Aufnahme in die EU stellen.

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8 Kommentare

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  • G
    gruna_paparouna

    @Alexewsik69

     

    1.

    Alex kommt von griechischen Wort Alexandros, d.h. auf griechisch der Schuetzer der Menschen.

     

    2.

    Von Ablenken kann nicht die Rede sein, denn kein griechisches Medium befasst sich mit dem slavo-bulgaromakedonischen Staat (albanisch ist auch noch) und wenn ja dann ganz selten.Fyrom ist fuer Griechenaland leider oder Gott sei Dank nicht wichtig.

     

    3.

    Herr Schauble hat Recht, die Deutschen duerfen nicht die Fehler der Griechen bezahlen.

    Die Deutschen, koennen aber und sollen es auch tun, die Kriegsentschaedigung edlich fur Griechenland bezahlen. In De Haag soll das Problem geloescht werden.

     

    4.

    Griechenland ist ein Opfer der Krise und nicht der Taeter. Die Spekulationen deutscher Politiker und deutscher Banken gegen die griechischen staatlichen Fonds sollen endlich aufhoeren. Die Deutschen haben jahrelang sehr viel von der griechischen Fonds verdient.

    180 Billiarden EU davon besitzen deutsche Banken.

    Ich bin dafuer dass Griechenland sofort Bankrott geht.

  • D
    Doro

    In Griechenland hoert man kaum in Media von Fyrom.

     

    Also von Ablenken kann mit Sicherheit nicht die Rede sein.

     

    Die Taz soll aufhoeren, die ultranationalistische Regierung in Skopje zu unterstuetzen.

     

    Keine Loesung, Keine Beitritt in EU und NATO fuer (Slavo-Bulgaro) Mazedonien.

  • G
    gruna_paparouna

    @Andre69,

     

    Wiedernochmal die pseudolinke, deutsche Sensibilitaet fuer (Slavo-Bulgaro)Makedonien.

     

    1.

    Das historische Makedonia ist 95% griechsisches Land und Makedonia ein griechisches Wort.

    Das Grosse Slavo-Bulgaromazedonien ("United (Slavo-Bulgaro) Mazedonien, das die heutige ultranationalistische Regierung in Skopje vertritt, ist ein Plan der bulgarischen Nationalisten Anfang des 20en Jahrhunderts. Helden, Symbole, Uniformen unterscheiden sich kaum von der bulgarischen Ideologie. Nach 1944 wurde Fyrom von Tito total entbulgarisiert.

     

    Wenn Sie bitte ueber Slavo (bulgaro) mazedonien sprechen und meinen dann nennen sie auch das Land so. Makedonen sind nicht nur die Slavo-Bulgaro-Mazedonier. Wir werden Euch immer wieder darauf aufmerksam machen.

     

     

     

    2.

    Natuerlich der Schuld liegt vor allem an der griechischen Seite aber

    laecherlich ist die seit Jahren andaurnden Spekulationen vorallem rechter, deutscher Politiker und der deutschen Bank gegen die griechischen staatlichen Fonds.

     

    3.

    Griechenland hat nicht Weltkrise hervorgerufen sondern ist ein Opfer dieser Krise wie Irland, Portugal und Spanien

     

    4.

    Es ist langsam die Zeit gekommen, fuer die deutschen Kriegsentschaedingungen am griechischen Volk so dass wir langsam aus der Krise rauskommen.

    Der europaischer Gerichtshof in De Haag soll natuerlich entscheiden.

     

     

    5.

    Es ist aber auch moeglich dass griechische Banken und Spekulanten aehnliches mit slavo-bulgaro-makedonische staatlichen Fonds hervorufen koennen und die sowieso Low-Profile Wirtschaft in Skopje glatt machen.

     

     

    Gruss,

    Thessaloniki, Makedonia, Griechenland.

  • A
    andre69

    An DORO

    Ihr solltet euch mal lieber um eure Innlands Politik kümmern als mit dem Lächerlichen Macht Kampf mit Makedonien von dem Katastrophalen Zuständen der Wirtschaft in GR ab zu lenken!

  • MB
    M. Bitter

    Es ist sicher ein vernünftiges Signal, es den Bürgern Serbiens, Mazedoniens und Montenegros zu ermöglichen, visafrei in die EU reisen zu können. Zeigt dieses Signal den Betroffenen doch, dass sie willkommen und nicht - wie insbesondere Serbische Nationalisten dies gern behaupten - an den Rand Europas abgeschoben sind.

    Aber warum - so fragt man sich - wird dies nicht auch der muslimischen Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas ermöglicht? Denn nur diese wird von der bestehenden Visafreiheit ausgeschlossen, da es den katholischen Bewohnern BiHs möglich ist, einen Pass in Kroatien zu bekommen und die Bewohner des serbischen Teilstaates BiHs - der Republika Srpska - in Serbien Wege finden werden, ebenso ein solches Papier erhalten können.

    Dass also gerade diejenigen von der Möglichkeit, in die EU zu reisen ausgeschlossen werden, die am meisten unter dem Krieg gelitten haben, die noch heute oft die größten Probleme bei dem Versuch haben, in serbisch verwalteten Regionen nach ihrer Rückkehr wirtschaftlich wieder Fuss zu fassen, ist nicht nachzuvollziehen.

    Dass all dies im Artikel der TAZ keinerlei Erwähnung findet, ist es ebenso wenig.

  • D
    doro

    Der historischer Teil Makedoniens ist hellenischer Boden und wurde 1913 vom Bukarester Abkommen legitimiert. Also seit 100 Jahren schoen.

     

    Davor war osmanischer Boden. Die Osmanen haben nie von einem "makedonischen Volk" gesprochen und geschrieben. Nur von Bulgaren. Warum?

     

    Wir werden mit allen unseren Kraeften gegen den ultra-nationalistischen Wahn, eines Gross-Slavo-Makedoniens (United Makedonia), der in Skopje herscht, kaepfen.

     

    Keine Loesung, Keine Beitritt in EU und NATO.

     

    Thessaloniki, Makedonia, Hellas.

  • S
    Schubert

    Kleiner Hinweis für die Taz-Redaktion: Die serbischen Nachnamen haben sie durchweg falsch geschrieben.

    Am Ende steht ein ć.

    Z.B.Jeremić.

    Mfg.

  • P
    Peter

    Schoen, dass in dem Artikel auch die Lage im UN-Protektorat Bosnien-Herzegowina beschrieben wird. Die Region, die am meisten unter dem entfesselten nationalistischen Wahn Kroatiens, dem Erhaltungstrieb Serbiens und der abartigen Doppelmoral der westlichen Welt leiden musste scheint fuer die maechtigen Staaten des Westens, allen voran Deutschlands, wohl eine unwichtige Randprovinz zu bleiben.